Ausgewählter Beitrag

Ein viel zu langer Beitrag....

...aber ich brauch den! Wohl mehr für mich, für euch ist er vermutlich nicht so interessant. Bloggen ist ja immer auch eine Motivation, Dinge durchzudenken!

Heute las ich im Psycho-Blog einen Satz der mich sofort anregte zu kontern. Ich mag das, irgendwo meinen Schmus hinkritzeln zu dürfen, einfach nur aus Spaß an der lustvollen Gegenrede *g* Da bin ich wohl manchmal anstrengend, aber es ist meist spielerisch gemeint, nicht bitterernst! (Falls ich euch schon mal damit geärgert habe, büdde um Gnade!)

Es ging um Burnout und als ein Beispiel für eventuell Belastendes stand dann dieser Satz:
"Und ich meine mit zusätzlichen Aktivitäten nicht den Musikunterricht, den ehrgeizige Eltern ihren eigentlich unmotivierten und wenig talentierten Kids aufzwingen wollen, sondern selbstgewählte Dinge, die vielleicht...." (weiter geht es hier, Permalink geht leider nicht.)

Wir Musikschullehrer werden sehr oft mit der Einstellung von außen konfrontiert, die armen Kinder wären meist Opfer ehrgeiziger Eltern und würden nur selten freiwillig ein Instrument lernen. Meine Antwort dazu steht schon dort, daher will ich hier nun auf eine Antwort Falk Richters eingehen.

Ich schrieb, ca. 90% meiner Schüler würden freiwillig spielen, er antwortete: "Dass bei Dir immerhin auch 10 % nicht ganz freiwillig mitmachen, sehe ich schon als nicht ganz unproblematisch an. Allerdings kenne ich natürlich die individuellen Hintergründe nicht ;-) .."

Das habe ich nicht erwartet und es gab mir zu denken.
Ich hatte diese Prozentzahl nur nach Gefühl aus dem Ärmel geschüttelt. Hätte ich geschrieben, fast alle würden freiwillig spielen wäre mir das zu Recht als pure Angeberei ausgelegt worden.
Ich kann kein Paradies schaffen, kann in meiner Arbeit nur bemüht sein und muss es gut machen wollen, das zuerst. Und ich muss meine Arbeit immer wieder kritisch durchleuchten, bereit sein für Änderungen wenn ich merke das etwas nicht so läuft. Aber immer alles perfekt, das geht einfach nicht.

Die Antwort animierte mich, einmal genauer die Schülerliste zu durchforschen.

Das Ergebnis: 

Zwei Schülerinnen so um die 15 sind recht faul, zu wenig motiviert? Die eine ist sehr pubertär, träumt sich viel weg, die andere sportelt mehr. Aber beide wollen nicht aufhören.
Ein kleines Mädchen mit 8 geht normalerweise lieber zu ihren Hasen, im November merkte ich Unlust und Widerstand, aber im Moment hat sie einen richtigen Drang zu spielen und fordert mich richtig.
Ein 11-jähriger Bub ist vielleicht nur brav, er hat Ängste, will nicht vorspielen was er aber muss. (Lehrplan und gut!) Deswegen wollte er schon fast aufhören. Er hätte dürfen. (?) Hach, ich möbele sein Selbstbewusstsein deswegen schon das zweite Jahr auf, einmal hat er schon das Vorspielen geschafft und es ist schon ein bisschen besser.
Ein 7-jähriges Mädel im ersten Jahr will tatsächlich nicht üben. Diese kleine Italienerin saß fast das ganze letzte Jahr freiwillig als Zuschauerin in meinem Unterricht während die Mutter im Haus Klavierunterricht nahm. Sie wollte unbedingt Gitarre lernen, hatte aber nicht begriffen, dass dafür üben notwendig ist. Die Mutter will sie nun raus nehmen, das Kind kämpft darum, bleiben zu dürfen. Ich bin nämlich nicht sehr streng und lasse diese Phase noch zu und übe halt in der Stunde mit ihr. Nun gab es ein Gespräch mit Mutter und Tochter in dem vereinbart wurde, die Mutter dürfe eine Zeit lang nicht zum Üben drängen. Wenn das Mädchen wirklich will, muss es mir das durch Taten bis Ostern beweisen. Sie ist so musikalisch!

Alle anderen 19 Kinder und Jugendlichen sind heuer ein reines Vergnügen, es wird anregend gespielt und gemacht :-)) Davon hatten ein paar in vorangegangen Jahren auch mal eine Übungskrise, na und? Das ist überwunden!

Nickname 20.03.2006, 01.11

Kommentare hinzufügen


Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Falk (Psycho-Blog)

So, nun bin ich endlich dazu gekommen, auch Deinen Blogbeitrag zu lesen:

Erst mal danke für's Verlinken :)

Ich freu mich auf jeden Fall, wenn sich jemand mit meinen Beiträgen so intensiv auseinandersetzt.

So wie Irmgard und Evi schon geschrieben haben, finde ich es auch gut, dass Du Dir Gedanken darüber machst, was die Kinder eigentlich wollen und dass Du auf sie eingehst.

Nach Deinen Schilderungen scheint mir das, was ich mit meinem Beispiel meinte (musikbegeisterte Eltern, die ein musikalisch nicht interessiertes und nicht talentiertes Kind quasi zum Musikunterricht zwingen), nicht vorzuliegen. In dem besagten Alter ist es sicherlich auch erst mal wichtig, verschiedene Angebote zu machen, damit sich ein Kind erst einmal orientieren und schauen kann, ob ihm z.B. die Musik überhaupt liegt.

Ich selber habe zu Hause noch eine Gitarre zu stehen und ab und zu versucht, damit weiterzukommen. Auch mit Hilfe einer schriftlichen Anleitung und Kassette. Auf jeden Fall ist es etwas, wo man sich anstrengen und Zeit investieren muss. Ich habe für mich festgestellt, dass ich wohl mit den Fingern "nicht so gelenkig" bin. Auch ist es mir nicht so wichtig gewesen, als dass ich mir regelmäßig Zeit dafür genommen hätte oder gar in einen Kurs gegangen bin. Was künstlerische Beschäftigung anbelangt, bin ich letztlich beim Malen hängengeblieben. Das liegt mir irgendwie mehr. Aber auch das habe ich mir autodidaktisch angeeignet und nehme mir eigentlich dann nicht so regelmäßig Zeit dafür. Ich habe irgendwie "zu viele" Interessen.

Ab und zu sing ich noch bei bestimmten Titeln zum Radio oder zur CD mit... allerdings vorzugsweise, wenn niemand zuhört *gg*

Lieben Gruß aus Dresden
Falk

vom 24.03.2006, 09.08
Antwort von Nickname:

Lieber Falk, vielen Dank für dein Interesse und deinen Eintrag. Bei uns ist das mit der Orientierung gar nicht so schwierig. Wenn Eltern ihre Kinder zur Anmeldung bringen und sie sind noch jung genug, empfehlen wir die "Musikalische Früh.erziehung" Das ist so ähnlich wie bei Orff. Im Laufe des Jahres besuchen diese Kindergruppen verschiedene Lehrer und die verschiedenen Instrument werden ihnen spielerisch vorgestellt. Toll ist, dass sie dabei auch nebenbei beobachten können, welcher Lehrer ihnen bevorstehen würde ;-)
Im Einzelunterricht ist ja Sympathie nicht hoch genug zu schätzen und auch ich achte bei der Wahl meiner Schüler darauf ein bisschen. (Vorrangig ist aber die Punktewertung beim Aufnahmetest - nur etwa 10% der Interessenten können leider genommen werden)
Herzliche Grüße zurück!
Tirilli

4. von Irmgard

Hallo Tirilli,
ich hab deine Kommentare auch bei Falk gelesen und wollte dann auch bei dir deine entsprechende Ausführung dazu lesen. Ich finde es auch sehr gut, dass es Lehrer gibt, die ihre Schüler mit viel Engagement unterrichten (es gibt auch andere). Bei dir finde ich es insbesondere gut, dass du auf die Kinder eingehst und siehst, ob es ihnen gefällt oder nicht. Natürlich kann man nicht jede Ermüdungserscheinung und Unlust als Anlass dazu nehmen, den Musikunterricht abzubrechen. Da ist es schon gut - von den Eltern und den Musiklehrern aus - ein bisschen dahinter zu sein, dass auch Geduld und Ausdauer gefördert wird. Viele werfen ja viel zu schnell die Flinte ins Korn. Ich erinnere mich, dass ich damals Flöte lernen wollte, aber zu wenig Ausdauer dazu hatte zu lernen - und auch, ehrlich gesagt, zu faul zum Üben war. Meine Eltern kümmerten sich nicht darum, also verlief alles im Sande. Allerdings: Wenn meine Liebe, Musik zu machen, so stark gewesen wäre, hätte mich das nicht gehindert, ein Instrument zu lernen. Es gibt viele Autodidakten, denen einfach die Liebe zur Musik im Blut liegt. Ich glaube aber, ich verfranse mich bei dem Thema. Wollte eigentlich sagen, dass vor allem früher viele ehrgeizige Eltern bei den Kindern einiges angerichtet haben, weil diese unbedingt ein Instrument lernen mussten - obwohl sie es nicht wollten. Heute ist das zum Glück nicht mehr so üblich. Da wird mehr auf die Wünsche der Kinder geachtet. Aber es gibt eben immer noch die Fälle von Eltern, die - vielleicht ohne böse Absicht - ihre Liebe zur Musik auch den Kindern weitergeben wollen, diese Kinder dieses aber nicht leisten können oder wollen. Man muss bei den Kindern sehr genau hinsehen und hinhören, ob sie es für sich tun oder für die Eltern. Nur wenn sie die innere Liebe zur Musik haben, werden sie auch die wahre Freude am Musik machen haben.
Ich persönlich habe nicht die Ausdauer und das Durchhaltevermögen, um ein Instrument zu lernen - und anscheinend auch nicht die Motivation -, aber ich singe gerne und bewege mich auch gerne zur Musik. Die Liebe zur Musik ist den Menschen angeboren, wie auch ein anderer Kommentator bei Falk schrieb. Und deshalb höre ich sie gerne - und bewundere Leute, die genügend Ausdauer hatten, ein Instrument spielen zu lernen. Da höre ich andächtig zu :) .
Liebe Grüße und entschuldige meinen langen Kommentar - bei manchen Themen läuft mir auch das Herz über :) :)

vom 23.03.2006, 11.21
Antwort von Nickname:

Liebe Irmgard,
dein Kommentar kann gar nicht zu lang sein!
Vielen herzlichen Dank!
Tirilli

3. von Vodia

Ich wünschte manchmal ich hätte müssen müssen, denn dann würde ich können könne!

LG
Vodia

vom 20.03.2006, 23.09
2. von Trick_17

Auch ich habe den Beitrag bei Falk gelesen, der in vielerlei Hinsicht zum Nachdenken anregt.

Was ich jetzt bei dir bemerkenswert finde, dass sich ein Lehrer man detailliert Gedanken macht. Musikunterricht sollte grundsätzlich freiwillig sein, darüber sollten sich aber eher die Eltern Gedanken machen. Nur wenn ein Lehrer Wiederwillen bemerkt und auch versucht den Ursachen auf dem Grund zu gehen, zumindest entsteht da kein unötiger Druck.

Liebe Grüße und einen schönen Start in die Woche

Evi :)

vom 20.03.2006, 11.26
1. von christine b

guten morgen tirilli,
wie freu ich mich zu lesen, welche gedanken durch deinen kopf gehen und wie sehr du über deine schüler nachdenkst und wie wichtig es dir ist, dass die kinder auch spaß am musikinstrument haben!
da die kinder ja so verschieden sind, kommt dir sicher allerlei unter!!
wie schön, dass die 7-jährige noch da ist und spielt, vielleicht schafft sie es, wäre zu schade, wo sie so musikalisch ist!

meine drei kinder- jetzt erwachsen- haben alle drei klavier gespielt, das üben war zwar oft nicht so leicht, aber sie haben alle drei sehr gerne gespielt. wäre das nicht so gewesen, hätten wir eltern die kinder aus der musikschule genommen. allerdings, nicht gleich wegen purer übungsfaulheit *lach*
wir mußten zuhause jedoch nicht jammern: übe, übe! wenn sie nicht genug geübt haben, dann bekamen sie dasselbe nochmals auf und beim drittenmal war es ihnen dem professor gegenüber peinlich, wenn sie es nicht konnten, dann setzten sie sich dahinter. oder sie sprachen mit dem professor, dass ihnen das stück gar nicht liegt.das wurde dann ausgelassen.
da waren die kinder immer sehr selbstbewußt und der professor verständnisvoll.
heute haben sie durch das jahrelange klavierspielen ein anderes musikverständnis als jugendliche, die kein instrument spielten.
ich habe das nicht bemerkt, dass es so überaus ehrgeizige eltern gab, die ihre kinder zur musikschule drängten und zum spielen zwangen!

übrigens, wir wollten unseren kleinen sohn, schüler der 2. vs zum blockflötenunterricht anmelden, er verkündete dort: ich will aber lieber klavier! so kam das klavier ins haus. :-)

liebe grüße von christine b

vom 20.03.2006, 09.13