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Auswirkung negativer Öffentlichkeitsarbeit

Im letzten Halbjahr war der Lehrberuf fast täglich in aller Munde. Der Grund lag in Bestrebungen der Regierung, das Lehrerdienstrecht zu reformieren.
"Reform" bedeutet seit den 80er-Jahren bei uns fast immer "Rückschritt", in besagtem Fall muss man allerdings von drastischer Verschlechterung für den Lehrernachwuchs sprechen.

Den Politikern war klar, dass sie mit der starken Lehrergewerkschaft kein leichtes Spiel haben würden. Also wurde mit Hilfe starker Medienmitwirkung gegen die Lehrer gehetzt wie es die 2. Republik noch nicht erlebt hatte. Die gelernte österreichische Neidgenossenschaft, samt denen mit den schlechten Schulerfahrungen, und das sind wirklich nicht wenige, sprang dankbar bei dem Thema an und so wurde in sämtlichen Foren und mittels Leserbriefen auf Teufel komm raus gehetzt. Lehrer seien freche Privilegienritter, stinkfaul, schlecht ausgebildet, zu gut bezahlt, hätten unverschämt viel Urlaub und überhaupt und außerdem....
Es passierte dann schon mal, dass Lehrer in der Öffentlichkeit ihren Beruf zu verheimlichen trachteten. So weit waren wir gekommen.

Mein Thema jetzt ist aber, wie dieses allgemeine Lehrer-Bashing bei den Schülern ankam. Daran hatten die Brandstifter wohl keine Sekunde gedacht und auch nicht, wie sich das auswirken könnte.

Meine Schule ist ja keine der üblichen, trotzdem, auch bei mir kam was an. Und davon will ich jetzt erzählen.

Es war während einer Einzelstunde. Ein neuer Schüler, 11 Jahre alt, sehr liebenswert und stets hellwach, saß schräg neben mir, als ich mit ihm spontan ein neues Musikstück beginnen wollte. "Wo sind denn die Noten?" Ich sah mich um, aha, einen Notenständer weiter lagen sie ja, so etwa 1 1/2 Meter von mir entfernt. Ich stand auf und hatte sie nach zwei schnellen Schritten.

"Haben Sie das jetzt absichtlich gemacht?" fragte jetzt der Schüler mit ruhiger Stimme, seine Augen ruhten prüfend auf mir.
"Was denn?" fragte ich.
"Na, dass das Heft dort lag! Damit Zeit vergeht?"
"Wie meinst du das denn?" fragte ich erstaunt.
"Lehrer tun doch immer so die Zeit verbrauchen, machen sowas, damit sie uns weniger lang unterrichten müssen."

Ich war baff.

"Hast du das bei deinen Lehrern denn oft so erlebt?"
"Nein, ich nicht, aber man sagt das!" Und dann, nach meinem überraschten Blick nochmal im Brustton der Überzeugung: "Doch, das sagen alle!"

Verteidigungsstellung einzunehmen, was hätte das gebracht? Ich sagte nur kurz im ruhigen Ton, die Noten wären nicht deswegen dort gelegen und machte dann weiter. Hätte ich das Thema noch aufbauschen und es damit überproportional wichtig machen sollen? Sicher nicht! Außerdem, für mehr war auch gar keine Zeit, der Lehrstoff ging vor.

Dies als Beispiel, wie das Schlechtmachen der Lehrer in die Herzen der Schüler träufelte. Dass sich das bei der Arbeit kontraproduktiv auswirkt, weil die Lehrer mit nötigen Anweisungen jetzt noch schwerer durchkommen und ihnen viel Respekt abhanden gekommen ist, kann sich wohl jeder denken. Dass das auch den Schülern letztendlich schadet, nein, daran dachten die Herren und Damen Politiker nicht. Sie dachten bei allem nur an Einsparungen im Staatshaushalt.

Nickname 20.01.2014, 00.10

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von christine b

hart mitzukriegen, wie sich solche diskussionen in den köpfen der schüler auwirken. traurig! :-(

vom 21.01.2014, 14.06
2. von

Seit einem Jahr bin ich nun nicht mehr im Schuldienst. Ich bin nach 41 Jahren an einer Hauptschule frühzeitig - d.h. zwei Jahre eher als normal - pensioniert worden. Meinen Beruf habe ich mal geliebt und mit Leidenschaft ausgeführt. Die letzten 10 Jahre wurden allerdings auch hier in Deutschland immer unerträglicher für Lehrer.
Den üblichen Anfeindungen wie seinerzeit durch den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ("Lehrer= die faulen Säcke der Nation") konnte man ja noch Paroli bieten. Danach fand ein Regierungswechsel statt, der die Schullandschaft für meine Begriffe insgesamt total negativ verändert hat.
Das mag ich im einzelnen alles gar nicht aufzählen.
Und der Beruf, der mir ursprünglich mal soviel Freude bereitet hat, wurde immer qualvoller und belastender für mich - einschließlich körperlichem und seelischem Zusammenbruch. Nein, ich wollte und konnte so nicht mehr weiter arbeiten und war und bin froh, dass ich dieser persönlichen "Hölle" vorzeitig entfliehen konnte.
Auch ich wünsche Dir starke Nerven und dass Du dir das "Thema" nicht so zu Herzen nimmst. Letzteres kann nämlich auch dadurch aus dem Takt geraten..... Bitte pass auf Dich auf!!
:nachdenk: Anne :-)

vom 20.01.2014, 13.23
1. von Renate Pudig

auch als pensionierte lehrerin hat mich genau dieses thema in den medien mehr als betroffen gemacht. nicht nur betroffen, traurig, zornig und wütend, weil man so machtlos gegenüber dieser anonymen neidgesellschaft ist.
das alte gedankengut, dass beamte und insbesondere lehrer wegen der langen sommerferien nur mit privilegien ausgestattet sind, zeugt doch von der unwissenheit bzw. ignoranz der gesellschaft. sich aber einmal genau zu informieren, was denn sache ist, welche aufgaben die lehrer haben, welche anforderungen tagtäglich gestell werden, dazu reicht offensichtlich das hirn nicht aus. hauptsache ist, gegen den gesamten lehrerstand zu hetzen, ganz egal, was rauskommt. dass man dadurch auch den schülern und eltern einen bärendienst erweist, hat sich wohl noch nicht rumgesprochen, bzw. wird ignoriert.
ich wünsche dir nur eine dicke haut, dass du durch diesen schlamassel jetzt einigermaßen unbeschädigt durchkommst.
liebe grüße,
renate

vom 20.01.2014, 11.02