Ausgewählter Beitrag

Eine berührende Begegnung.

Der Nebel hatte sich allmählich gelichtet und ein blitzblauer Himmel lud dazu ein, zum See zu radeln. Dort angekommen spazierte ich auf den Steg, ich wollte die himmlische Aussicht auf den gleißenden See genießen.

Was ich aber nun zu sehen bekam, war doch sehr unerwartet. Da lag ein winziges schlafendes Baby auf den Brettern und ich ließ mich spontan zu einem verzückten "ooh" hinreißen. Rundherum saß die Familie, sie blickten sehr ernst, fast misstrauisch. Nun hatte ich mal angefangen und redete gleich weiter. "Hello!" Ich hockte mich nieder und lächelte zuerst die Mutter an, dann alle anderen  und spürte tiefe Depression bei allen. "Are you Refugees?" "Yes."

Wie ich erfuhr kamen sie aus Syrien, Damaskus. Außer dem Mann saßen da noch drei Kinder im Alter von 12 bis 15, sehr gedämpft waren auch sie, aber sie schauten neugierig. "Camp not good", meinte die Mutter, "so cold." Sie zeigte auf das Baby, imitiere Husten und sagte "In Hospital! But now better".  Das Zeltcamp im Dorf steht nahe bei meinem Haus.

Diese Frau war in der Familie die einzige, die ein wenig Englisch konnte. Der Vater überließ mir seinen Platz an der Bootshauswand. Ich winkte zwar ab, vergebens. Nun setzte ich mich also dazu und fragte die Kinder nach den Namen, um sie ein wenig einzubeziehen. Sie zeigten auf meine Frage hin auch mit den Fingern ihr Alter. Dann wandte ich mich wieder an die übrigens unverschleierte Frau :  "And your Parents?" "In Homs." "Oh, Homs....!" Ich signalisierte, dass ich wisse. "We are from Homs. Bombs!  So we go to Damaskus. Then Bombs in Damaskus. We had to go!" Immer wieder zeigte sie verzweifelt auf die Dose mit der Babynahrung.

"What do you need?" fragte ich . "Money..."  "Oh, I have nothing with me" meinte ich bedauernd und zeigte meine leere Manteltasche.

Ich versprach spontan, ihr welches zu holen, sie könne ja einstweilen schon Richtung Camp gehen, wir würden uns dann sicher begegnen. Aber da war nichts zu machen, nein, sie wolle lieber da warten. Was ich dann erst später verstand. Vor anderen Flüchtlingen war es wohl nicht so gut, etwas in Empfang zu nehmen, außerdem hatte sie wohl Sorge, wir würden uns verpassen.

Die Familie schlenderte mit mir in den angrenzenden Park und der Vater machte ein Foto. Ich war zur Seite getreten, aber er wollte genau mich mit auf dem Bild haben und zeigte mir dieses dann, es sei doch gut geworden. Da sah ich das arg zerbrochene Glas auf dem Display, er lächelte deswegen nur und zuckte mit den Schultern.

Tja, ich hatte recht weit zurück zu radeln. Der Bahnschranken blieb ewig geschlossen und ich stellte mir beim Warten vor, wie sie nun wohl zweifelten, ob ich überhaupt wiederkommen würde.

Zu Hause dachte ich beim Blick in die Brieftasche: "Jetzt nur nicht kleckern. Das Geld ist bei jenen zehn mal mehr wert als bei dir." Dann griff ich noch nach Keksen und Nüssen und war gleich schon wieder auf dem Rad.

Als ich den Park erreichte saß die Frau auf einer Bank und blickte mir furchtsam und scheu entgegen. Die Kinder rundherum, teils bei den Spielgeräten, der Mann irgendwo weiter weg. Ich setzte mich zu ihr, gab ihr die Nusspäckchen und die Kekse an denen sie gleich nestelte und als ich das Geld verborgen in ihre Hand drückte, fing sie bitterlich zu schluchzen an. Da nahm ich sie in den Arm und sprach von besserer Zukunft und dem Heim, das sie sicher finden würden. Sie stammelte unentwegt "thank you, thank you, thank you!" Ich: "no, say it no more, its o.k." Wie hätte ich ihr klar machen können, dass ich ihre Würde wahren wollte, und wie, dass dieses Geben für mich seliger machend war, als sie es sich vorstellen konnte? 
Aber am berührendsten waren die Blicke der Kinder. Sie blickten durchdringend die weinende Mutter an und in ihren Blicken war mehr, als ich es jemals bei Kindern gesehen habe.



Nickname 27.10.2015, 01.57

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Kommentare zu diesem Beitrag

6. von Rita die Spätzin

... mir geht es wie Viola ...

vom 29.10.2015, 09.23
Antwort von Nickname:

Ja, ist leider triggernd... Liebe Grüße!
5. von jetztdasein

Das tut gut so direkt helfen zu können, und deine guten Wünsche werden bestimmt auch ihre Wirkung haben, auf irgendeine Weise.
Liebe Grüsse
Elfe

vom 28.10.2015, 21.04
Antwort von Nickname:

Das hat mir wirklich gut getan. Und es war ein tiefschürfendes Erlebnis. Tja, zuerst muss mal der Krieg enden...
Herzliche Grüße an dich!
4. von Graf Bobby

Hast ihnen eh die alten Schillinge gegeben!

vom 27.10.2015, 14.47
3. von Hanni

Mir geht es wie @Viola
LG Hanni

vom 27.10.2015, 12.36
Antwort von Nickname:

Auweia..., so ist nun die Welt! Liebe Grüße an dich, Hanni!
2. von Ulla S.

Liebe Tirilli,
du hast ein großes Herz. Sie werden dich sicherlich nie vergessen.
Es fühlt sich gut an, jemandem zu helfen.
LG Ulla S.

vom 27.10.2015, 11.27
Antwort von Nickname:

Ach was, Ulla. Es war grad nur der Moment. Ein starker! Es fühlt sich saugut an! So hat jeder was davon. Liebe Grüße!
1. von Viola

leider habe ich dazu nix zu sagen.....ich heule beim Lesen

vom 27.10.2015, 05.16
Antwort von Nickname:

Aber das wollte ich nun auch nicht... :-( 
Ist so arg, diese Zeit.... Und dieser Assad! Gerade wieder 50 Tote auf einem Markt bei Damaskus. Beim Bergen der hunderten Verwundeten wurden die Helfer beschossen! Und Assad noch kein Kriegsgericht angedroht.
DAS ist skanalös, finde ich. 
Liebe Grüße!