Ausgewählter Beitrag

Was man als Lehrerin so erlebt.

Der ca. 8-jährige Schüler verweigerte, sich wie alle anderen vorzustellen und ich akzeptierte das. "Ist gut, wenn du es halt so willst." Dann verweigerte er auch, auf eine kreativen, teils geschauspielerte Art, die Tonleiter mit zu üben. Jetzt aber musste ich was sagen, denn es wird das ganze Schuljahr hindurch Kreativität gefordert und wenn er dabei unglücklich ist, kann er ja zum sachlichen Unterricht des Kollegen wechseln, ist organisatorisch ein Klacks. Also schlug ich ihm das vor. Und zwar ihn zuliebe! Der Knabe hat derart nach unten gezogene Mundwinkel, das sieht regelrecht seltsam aus. So sah ich das bei einem Kind wirklich noch nie.

Gleich nach dem Unterricht stürmte die Mutter daher. Ich erklärte meinen alternativen Stil der wohl augenscheinlich nicht zu ihm passe und redete ihr zu, das Kind zum sachlicheren Unterricht beim Kollegen zu schicken. Auch sprach ich von Gruppendynamik, die im kreativen Bereich das Um und Auf sei und wie problematisch sich auswirke, wenn einer voll und ganz boykottiere.
Ich kürze mal ab, was ich mir daraufhin ins Gesicht werfen lassen musste:

"Was sind Sie für eine Pädagogin, wenn Sie mit sowas nicht fertig werden!!" schrie sie mich regelrecht an.
"Aber es geht doch nicht um mich, sondern um ihren Sohn! Er würde da nicht glücklich sein, beim Kollegen aber vielleicht eher!" ... so hätte ich antworten müssen. Aber ich war zu baff über diesen unerwarteten Angriff. Da blieb mir, wie immer in solchen Situationen, leider die Spucke weg. Und danach hätte ich mir in den Allerwertesten beißen können!

Aber jetzt kommts, warum ich das hier erzähle. Der nächste Angriff galt nicht mir und war sowas von hanebüchen!

"Seine Lehrerin (am Instrument) hätte doch wissen müssen, dass mein Sohn nicht zu Ihnen passt! Wieso schickt sie ihn dann??"

Ähm....

Jedenfalls blieb das Kind. Seine Hauptfachlehrerin erzählte mir später, was es ihr einmal gesagt hatte: "Ich weiß, das mich keiner mag, weil ich nicht lächeln kann!" Und sie erzählte auch: "Die Mutter schmeiße ich regelmäßig raus. Denn wenn die drin ist, kann er überhaupt nichts mehr, dabei ist er sehr begabt."
Na, da dürfte ja zu Hause einiges schief laufen.

Der Bub wird meine freundlichste Zuwendung erfahren, das habe ich mir fix vorgenommen. Und ich werde ihm alle Verweigerungen durchgehen lassen, vielleicht bekommt er sogar eine besondere Rolle, irgendwie eine andere als üblich. Mal im Hintergrund bleiben, mal Chef sein, oder Anleiter, hm, irgend sowas. Aber so, dass es den anderen Kindern nicht zu sehr auffällt. Hm, schwierig! Kinder spüren ja alles viel viel deutlicher als Erwachsene...
Wäre ja gelacht, wenn der so fehlplaziert bliebe. Kommt ja gar nicht in Frage, dass ich seine innere Problematik vielleicht sogar noch verstärke. Aber behutsam sein, das zuerst! Ich habe jedenfalls gute Vorsätze. Andersrum wäre ich ja wirklich unfähig!
Ich werde später mal berichten, wie es mit ihm läuft.

Nickname 07.10.2013, 01.24

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von christine b

meine hochachtung tirilli!

:-)

vom 09.10.2013, 20.24
2. von Roswitha

liebe Tirilli
gerne wäre ich, mit Deiner Erkenntnis jetzt, in Deine Klasse früher gegangen.
Leider, schade, waren die Lehrer früher
noch nicht soweit, solche Kindersorgen
zu lesen. Gruß Roa

vom 08.10.2013, 07.14
1. von sinta

In solchen Fällen kommt Dir die eigene schwierige Kinderzeit zuhilfe; sie hat Dich einfühlsam gemacht. Wie schön für diese Kinder!

vom 07.10.2013, 15.47