Ausgewählter Beitrag
Aus der Schule
Ein bisher wohlerzogener Schüler aus dem gehobenen Mittelstand in Alter von fast elf Jahren. Er tut bei mir nicht viel, aber ansonsten ist er tüchtig. Auch kritisch und aufgeweckt ist er, in der Volksschule war er sogar Schulsprecher.
Gruppenunterricht, am Anfang der Stunde.
"Heute müss ma aber sehen, dass das Duo endlich hinhaut, sonst ist der Ofen aus. Es ist ja schließlich schon zwei Monate lang auf!"
Es war einer dieser eher seltenen Momente, wo ich mal Druck machte. Schließlich ist ja bald Konzert.
"Sie können mich da lecken, wo die Sonne nie hinscheint!" bekam ich zur Antwort.
!!!
In der Schule sei so viel, lamentierte er anschließend mit nach unten gezogenen Mundwinkeln im Tonfall eines Juristen, der Tonfall von zu Hause.
Sowas ist mir in meiner ganzen Berufslaufbahn noch nicht passiert! Ich bin immer noch entsetzt.
"Du warst jetzt sehr frech!"
"Ich hab mich eh schon entschuldigt!" kam äußerst selbstbewusst zurück. Hatte er nicht. Breit treten vor dem anderen wollte ich dann nicht. Den Rest der Stunde hatte ich meine übliche Nettigkeit ihm gegenüber etwas eingefroren. Aber ob er meine neue Sachlichkeit überhaupt bemerkt hatte?
Kollegen meinten, ich hätte ihn rauswerfen sollen / ich hätte sofort die Eltern anrufen müssen.
Was ist pädagogisch richtig? Elternpetze und damit Vertrauensverlust? Da bin ich unschlüssig. Aber es auf sich beruhen lassen wäre für den Buben gar nicht gut. Er lernte sonst, dass man sowas machen kann.
Ich habe beschlossen, ihn mir nächste Woche unter vier Augen mal in einem ernsthaften Gespräch vorzuknöpfen.
Und jetzt noch: Nein, die Jugend ist NICHT schlechter geworden. Nur Einzelne sind problematisch, wie eh und je, wie es immer schon war. Sie zeigen das aber unbeherrschter als früher. Bei uns darf man solche übrigens nicht kritisch benennen, daher wurde das Ausdruck "verhaltensoriginell" erfunden. Aber das ist jetzt nicht auf den oben beschriebenen Fall bezogen. Der Junge war bisher immer in Ordnung, wenn auch nicht in der Leistung...
Tja....
vor zwanzig Jahren waren Schüler noch um Lichtjahre davon entfernt es
zu wagen, ihrem Lehrer so etwas zu sagen! Überhaupt mit zehn! Solchen
Anfängen gilt es zu wehren! Und Anfänge sind das! Denn meiner im
Gymnasium lehrenden Freundin ist unlängst noch ungemein Schlimmeres
passiert! Sie wurde von zwei 17-jährigen Schülern beim Supplieren einfach pausenlos nachgeäfft, mit Beinen auf dem Tisch. Und von der Direktion kam dann keinerlei Sanktion. Es bleibt ihr nichts, als es hinzunehmen.
Wir Lehrer haben ja keine Handhabe mehr. Da steht das Gestz davor. Und außerdem haben wir einen schlechten Stand in der Gesellschaft. Und dann passiert halt sowas.
Aspekt , freudscher Versprecher
vom 30.01.2014, 19.15