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Das Pendel schwingt zurück

Alles schwingt, im kleinen wie im Großen. Sei es ein Kristall oder ein Lebewesen, es ist in allem. Auch in der Gesellschaft findet sich dieses Auf und Ab. Was für die Eltern noch als Reform galt, wird von der nächsten Generation wieder abgelehnt, für nicht mehr gut befunden und umstruktuiert. Man sagt gerne "neu" dazu, aber in Wahrheit pendelt sich wieder etwas in vergessene Bahnen. 

Man soll nur ja nicht glauben, "Reform" bedeute Verbesserung. Es meint nur, etwas in eine neue Form zu gießen.

Schmerzlich musste ich die Erfahrung machen, dass vieles, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erkämpft worden war, in den letzten zehn Jahren wieder gegenreformiert wurde. Die Gesellschaft wurde wieder kälter.

Warum ich das gerade heute schreibe?

Tendenzen in Deutschland, schwierige Jugendliche wieder in Umerziehungslagern kasernieren zu wollen, haben mich aufgerüttelt. Ich sehe das Bestreben eines Teils der Verantwortlichen als die Folge eines Trends. Es geht wieder zurück zu längst überwunden geglaubten Anschauungen aus der Vorkriegszeit.

Die Erkenntnisse der Psychologie werden zunehmend negiert, der Mensch wird wieder entmündigt, weil er doch so unvernünftig scheint und gelenkt werden muss. Was verwaltet wurde, wird nun wieder zunehmend beherrscht. Dazu gehört, dass man Ursachen negiert und nur noch auf Wirkungen reagiert.

Konkret auf den Anlass dieser Zeilen einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Nur so viel, wenn junge Leute entgleisen, liegt das an Misständen in ihrer Kindheit. Darauf sollte man sehen und dort sollte man ansetzen. Denn jemand, der seiner Kindheit entwachsen ist, kann noch weniger zurechtgestutzt werden als ein Kind, das mit schwarzer Pädagogik lieblos verbogen wurde. Sehr wahrscheinlich ist, dass nur noch weiter kaputt gemacht wird.
Was bedeutet das überhaupt, dieses "Zurechtstutzen"? Es ist ein gewalttätiger Ausdruck. Jemandem die Schneid nehmen, ihn gefügig machen, für ein Umfeld, das ihn so gemacht hat wie er nun ist.
Das nächste wäre dann Folter, in amerikanischen Boot-Camps wird sie durch grausame Strafmassnahmen schon praktiziert. Und irgendwann in weiterer Folge ist Menschenverachtung dann wieder hoffähig geworden.

Aber ich denke, dass das Pendel eines Tages ganz gewiss seine Richtung wieder umkehren wird. Nur leider wird dann schon sehr viel gelitten worden sein.

Hier ein aufschlußreicher Artikel über amerikanische Boot-Camps und über deren Misserfolg:

10.000 Jugendliche pro Jahr in US-Einrichtungen

Nickname 04.01.2008, 23.04

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Kommentare zu diesem Beitrag

8. von Maria


Luisa Francia und ihre Homepage Hier klicken mag ich.

Es ist interessant, welche Zugänge zum DaSein sie findet.

Auch wenn die Inhalte ihrer Bücher für mich oftmals nicht nachvollziehbar sind - in ihren aktuellen Äußerungen zum Tagesgeschehen finde ich mich wieder.

Liebe Grüße und guten Schulbeginn wünscht
Maria

vom 07.01.2008, 17.03
7. von Karin

Ich kann diesen Beitrag voll und ganz unterschreiben.
Diese Erziehungslager, die zur Diskussion gestellt worden sind, sind meiner Ansicht nach nicht nur ein Rückschritt, sondern würden sogar alles noch schlimmer machen. Ich denke, da drin wäre die Gefahr sehr hoch, dass die Jugendlichen rückfällig würden - und die eigentlichen Probleme wären nicht aus der Welt. Im Gegenteil.
Kurz und knapp: Es ist ein falscher Ansatz!

LG Karin

vom 06.01.2008, 23.17
Antwort von Nickname:

Es freut mich sehr, dass du auch der Meinung bist. Danke für den Kommentar!
Hast du das Video im Spiegel gesehen? Hier klicken DAS ist Menschenverachtung pur! 24-stündiges Sprechverbot, damit die Aufseher ihre Ruhe haben! Es ist nicht zu fassen!
Und dann wundert man sich, dass so viele Amerikaner immer wieder kriegsbereit sind. Es fehlt anscheinend einer Mehrheit das Bewusstsein für menschlichen Umgang!
6. von Maria


Ein Link zum Thema:
Hier klicken

Lieben Gruß
Maria

vom 06.01.2008, 16.22
Antwort von Nickname:

Das ist ja ein sehr interessanter Beitrag! Ich habe das sehr gerne gelesen. Schade, dass man nicht kommentieren kann!
Danke dir!
Liebe Grüße!
5. von Claudia

Liebe Ti,

das sind nur die verzweifelten Versuche die Folgen, der Fehler der Vergangenheit, in den Griff zu bekommen und abzufangen, was andere verbockt haben. Und, wie Du ganz richtig bemerkst, setzt man dabei am falschen Ende den Hebel an.

Sogenannte Eltern, die glauben Kinder sind Statussymbole, die sich ganz easy neben der Selbstverwirklichung und der Karriere mal eben mit durchziehen lassen, werden gefördert.

Kinderfreundliche Eltern brauchen keine neuen Krippen- und Kindergartenplätze, sondern die (finanzielle)Möglichkeit, dass sie sich um ihre Kinder kümmern können und zwar selber.
Das Geld, das der Staat da hinein investierte wäre besser angelegt und er würde sich das Geld sparen, das es ihn kostet die, durch Vernachlässigung und mangelnde Erziehung aus dem Ruder gelaufenen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wegzusperren.

Kinder brauchen Anleitung, Führung, Erziehung auch im Sinne von Zucht und zwar innerhalb der Familie, so wie man ein kleines Bäumchen ja auch anbindet, damit es gerade wächst.
Dafür braucht es aber Zeit, Geduld, Aufmerksamkeit, liebevolle Opferbereitschaft und nochmal Zeit, Zeit, Zeit.

Die Frage für mich war nicht, wie ich Kinder und Beruf unter einen Hut bringe, sondern für welches von beiden ich mich entscheide.
Meine Berufung war es zunächst für meine Kinder dazusein.
Und siehe da, es ist nun, da sie groß sind nicht zu spät auch noch beruflich tätig zu sein - in dem Rahmen, der für mich ausreicht.

Sorry, jetzt bin ich bissl weitschweifig geworden, aber dieses Thema bewegt mich, mit meiner Karriere als "Nur"hausfrau und Mutter.

LG und schönen Sonntag
C.

vom 06.01.2008, 13.14
4. von zentao

Das Leben ist nicht nur wie ein Pendel, es ist auch wie eine Spirale,alles kommt wieder nur eine Ebene höher.Die Welt ist wie eine Spielwiese, um hier unsere Erfahrugen als Menschliches Wesenzu sammeln. Wenn ein Wesen einfach nicht lernen will, wird es die Klasse immer wieder, wiederholen müssen.Die Menschen die hier leben sind auch auf verschiedenen geistigen Entwicklungsstufen. Wir haben uns vom Mensche der in eier Sippe lebt, zum Einzelwesen entwickelt und das ist gut so. Nur dürfen wir dabei nicht ganz zum Egoisten werden.Wenn mann zurück blickt und mit heute vergleicht, ist es gar nicht so schlecht. Es ist sogar vieles heute einfach gut.
Die Jugend, die ich kenne ist kritisch ehrlich und ist nicht schlechter als die Jugend von Gestern. So gesehen bin ich voller Hoffnung für die Zukunft. Wir bekommen immer wieder unsere Lernaufgaben.
Grüsse zentao

vom 05.01.2008, 23.18
Antwort von Nickname:

Hallo Zentao, vielen Dank!

Das ist halt Glaubenssache. Ich glaube auch, aber nicht an die Wiedergeburt, bzw. wenn es so wäre, würde ich mir wünschen, dass mir noch ein Leben erspart bliebe.
Was gegen diese Spirale spricht, ist, dass es in Wahrheit nicht wirklich besser geworden ist. Es müssten doch allmählich mehr von den "erfahreneren Seelen" da sein?
Aber eines denke ich schon, der Buddhismus hat der Welt noch am besten getan.
Liebe Grüße!
3. von Astraryllis

:) :) :)
Klingelingelling!
Hiermit läute ich das nach 40 Jahren längst überfällige REVIVAL ein.

;)

vom 05.01.2008, 19.57
2. von Renate

Auch wenn ich mich ungern zu politischen Themen äußere, kann ich jetzt den Mund nicht halten.
Niemand will in Bayern irgendwelche Boot-Camps errichten! Kaum spricht irgendein Politiker ein paar Gedankenspiele aus, schon wird er von der Opposition in die schwarze Ecke geboxt!
In meiner Heimatstadt gab es eine Schule für "schwererziehbare Jungs". Auch wenn sie keine Lehrstelle bekommen hatten, konnten sie dort Tätigkeiten erlernen, die ihnen später einen Arbeitsplatz verschafft haben.
Die Vorfälle in München zeigen die Frustration der Jugendlichen, die nicht wissen, was sie mit selbst anfangen sollen.
Ich stehe positiv zu der Idee einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kids, zumal solche brutalen Gefühlsausbrüche für mich nichts anderes als ein Schrei nach Aufmerksamkeit sind.
Liebe Grüße
Renate

vom 05.01.2008, 11.35
Antwort von Nickname:

Liebe Renate!
Aber das mit den geschlossenen Schulen für höchst problematische Schüler ist doch nichts Neues? Hier in Österreich gibt es das. Ich bin sogar genauestens darüber informiert, arbeitete doch eine Freundin in einer solchen.
Sie hatte nur 5 - 7 Schüler in einer Klasse. Nicht nach Alter sondern nach Können gestaffelt. Eine sauschwere Arbeit! Manchmal musste sie sich körperlich erwehren. Jeder hatte psychische Probleme und die Erfolgsquote war nur wenige Prozent. Wurden sie volljährig, konnte man sie nicht mehr dort festhalten und sehr viel begannen eine kriminelle Karriere. Ich weiß noch, wie sie stolz berichtete, einer ihrer Schützlinge hätte es geschaft und hätte nun eine Anstellung bei der Müllabfuhr... Puh, gerade mal einer...
Nach der Schule wurden die Kinder und Jugendlichen direkt einem Erzieher übergeben der sie ins Internat brachte. Keinerlei freien Ausgang hatten diese Schüler. Aber es ist trotzdem etwas anderes, als ein Straf-Camp. Es war von gutem Willen geprägt (zumindest war das das Ideal, wie weit das gelebt wurde, ist wiederum eine andere Sache und entzieht sich meiner Kenntnis) Die Jugentlichen wussten, es wird versucht, sie ins Leben zu integrieren. Im Straf-Camp wissen sie, dass es um Strafe geht. Ein entscheidender Unterschied!
Ich sage dir, aus was für einem schlimmem Milieu diese Jugendlichen kamen! Entsetzlich! Kaputte Familien, alkoholkranke Eltern, Misshandlungen, total auf sich gestellt, verlottert und ohne Bezug! Dafür mit krankhaften Vorstellungen und mit Menschenhass...

Ich weiß gar nicht, was in München passiert ist. Im österreichischen Fernsehen ist nicht so viel über Deutschland. Da war nur der Bericht den ich verlinkt hatte und dies: hier klicken

Renate, es geht mir in erster Hinsicht darum, dass man das Problem mehr an den Wurzeln packen muss!
Liebe Grüße!
1. von Trommlerin

Liebe Tirilli, du hast dieses Dilemma gut umrissen. Da gäbe es freilich zu jedem Punkt viel zu sagen. Das Elementarste zum Wohl der Kinder, ist immer noch die Nestwärme und die ist, unabhängig vom sozialen Status, immer möglich.

Dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, kommt es regelmäßig zu gegenseitigen Kompetenzzuschiebungen. Diese angedachten Maßnahmen, sind nur Ausdruck der Hilflosigkeit. Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, soll ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Nun tut man ja etwas und braucht nicht an den Wurzeln des Übels anzusetzen.

Nachdenkliche Grüße ~ die Trommlerin



vom 05.01.2008, 10.16
Antwort von Nickname:

Dankeschön!
Es ist wahr, das Thema ist sehr umfangreich. 
Auf einen Kommentar wartete ich vergebens: Auf den Hinweis, wie es den Opfern krimineller Jugendlichen gehen muss.

Mir ist bewusst, dass ich hier in diesem Beitrag wenig Rücksicht nahm. Ich will nicht verhehlen, es ist möglich, dass ich nach einem Überfall eventuell anders argumentieren würde. Das wäre dann aber eine sehr subjektive Sicht und nicht allgemeingültig. Von der Opferseite aus betrachtet verstehe ich das Bestreben, sich seiner Angst und Wut mit drastischen Methoden zu entledigen. Ein Staat hat jedoch die Aufgabe, alle Bürger menschenwürdig zu verwalten. Auch die problematischen.

Das wollte ich noch schreiben, jetzt habe ich es halt bei dir getan...
Liebe Grüße!