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Eine Begegnung im Zug

Der etwas klein geratene Teenager hatte seinen um so größeren Rucksack auf dem einzigen freien Platz verstaut. Gedankenverloren waren die 5 Passagiere nach langer Fahrt schon tiefer in ihre Sitze gerutscht, als plötzlich die Abteiltür mit einem Knall aufflog. Wie von Geisterhand stand da einer im Gegenlicht und starrte mit stechenden Augen in die Runde. Die Nickelbrille schien seltsam zu blitzen, als er einige Sekunden reglos alle Anwesenden von oben herab musterte und seine sich kräuselnden schmalen Lippen verrieten Bitternis und Stolz. Sein blasses Gesicht wurde von wirrem, schon ewig nicht mehr gewaschenem dünnen Haar bis zur Schulter umkränzt und im durchscheinenden Sonnenlicht wirkten die fettigen Strähnen wie sich windende glänzende Fadenwürmer. Jeder erstarrte und nichts regte sich in diesem stickigen Abteil. Der Eindringling sah noch recht jung aus, so um die Dreißig, schäbig angezogen stand er da und wirkte verwahrlost. Und doch, die ungewöhnlich aufgerichtete Haltung des überaus mageren Körpers und die verbissene Mimik erinnerten frappant an Lord Voldemort, den finsteren Gegenspieler Harry Potters. Seltsam klug wirkte der Blick, doch ebenso verfinstert und lauernd.
Seine Augen krallten sich am Sitz mit dem Gepäck fest. Mit beißender Stimme rief er nun:
"Wem gehört dieser Rucksack da!"
Betretenes Schweigen. Der kleine pummelige Teenager, der gleich bei der Tür saß, fing sich als erster.
"Mir" sagte er trocken.
"Bist du zu klein, den Rucksack auf den Gepäckträger zu stellen oder was?"
"Ja genau, aber Sie können ihn ja gerne raufheben!" murmelte der Bursche so undeutlich, als würde er seinen eigenen Mut noch bremsen wollen.
"Höre ich jetzt richtig?? Was hast du da Unverschämtes gesagt? Ich soll den jetzt da raufheben?"
"Ja genau, ich bin eben nicht groß genug, komme nicht rauf!"
Unerwarteterweise packte der Neuankömmling nach kurzem Zögern tatsächlich zu und warf den großen Rucksack mit ungeahnter Kraft in die obere Ablage.
Er trug eine schmierige gelbe Lappentasche an der Seite, beim Setzen öffnete er sie gleich und fischte sich drei alte abgegriffene Dreigroschenheftchen heraus. Das passte nun wirklich nicht zu dem Typ! Oder vielleicht doch?
Jeder blinzelte hinüber und gierte heimlich danach, einen Blick auf die Umschläge zu erhaschen. "Der Landser" stand drauf und in den Innenseiten konnte man U-Boote, Abzeichen und sterbende Soldaten erspähen.
Die Mitreisenden entspannten sich ein wenig, obwohl alle unter den vielen Tätowierungen die verräterischste entdeckt hatten. Zwischen Daumen und Zeigefinger prangte ein nach rechts geneigter Wirbel. Es konnte auch ein Stern sein, dessen vier Strahlen sich durch irgend einen unbekannten Einfluss nach rechts gebeugt hatten. Man brauchte nicht viel Phantasie, um darin das Hakenkreuz zu erkennen.
Zu weiteren Beobachtungen blieb keine Zeit mehr, nur kurz und der seltsame Reisende sprang abrupt auf und verließ überraschend eilig das Abteil in unbekannte Richtung.

Ob er in dem Jungen etwa Harry Potter erkannt hatte? Jedenfalls sagte der grinsend zu seinem Freund:
"Hast du gesehen? der Haberer hieß Peter Petzel!" Allgemeines erleichtertes Lachen...

Aber woher wusste der denn das??

(Nach einer wahren Begebenheit)

Nickname 19.09.2006, 01.36

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Eveline

... und du willst irgendwem erzählen, dass eine deiner Geschichten nicht gut sei..... wut
Klasse geschrieben, so kann sogar ich gruselige Geschichten verkraften *sfg* ;)

Zur Frage des Tages: hatte er seinen Namen in die Schundheftle oder in seine Tasche geschrieben?

Guten Morgen liebe Schreibkünstlerin :)


vom 19.09.2006, 09.14