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Einflüsse durch Architektur

In Österreich ist ein Schüler vorsorglich für 14 Tage von der Schule verwiesen worden, weil er Drohungen ausgestoßen hatte und angeblich eine Todesliste schrieb.

Nun will ich darauf nicht schon wieder genauer eingehen, sondern auf etwas nicht Unwesentliches in dem Zusammenhang hinweisen.

Durch meine Arbeit in insgesamt fünf Schulgebäuden und Seminarbesuche in einigen weiteren, ist mir aufgefallen, wie sehr das Gebäude das soziale Klima beeinflusst.

Die Schule, die der oben erwähnte Schüler besucht, sieht so aus.
Genau diesen Baustil kenne ich. Niedrige graue Betondecken drücken auf den Kopf, in weiten sterilen Gängen hallt es, die Klassen sind zwar hell, zweckmäßig, aber auch abweisend und kühl von der Ausstrahlung her. Der nackte Zement an den Stützpfeilern hat sich bald hässlich verfärbt, von irgendwelchen harmonischen Proportionen kann überhaupt keine Rede sein. Funktionell, sachlich, lieblos.
In solchen Schulen erlebt man viel Vandalismus, Graffitis sind an der Tagesordnung. Die Atmosphäre war in solchen Schulen in meinem Fall viel schlechter als in schöneren Gebäuden. Hektischer, aggressiver und keiner achtete auf Individualismus. Ganz im Gegenteil, für die Mehrzahl der Lehrer waren die Schüler nur eben Schüler, es interessierte nicht weiter, wie es denen ging. Von den Schülern will ich nur sagen, dass sie sich am meisten freuten, wenn sie das Gebäude verlassen konnten.

Ich arbeitete auch ein paar Jahre an dieser Schule. Ein wunderschönes altes Stift mit Stukkaturen in vielen Klassenzimmern. Ich will nicht künstlich beschönigen, auch dort gab es Probleme, aber der Unterschied in der Atmosphäre ist schon sehr frappant für mich gewesen. Graffiti und Vandalismus hatte ich dort niemals erlebt! Und was das wichtigste ist, die Persönlichkeit des jeweiligen Gegenüber wurde sehr wohl beachtet, auch mal persönlich gesprochen und erfolgreiche freiwillige Projekte gab es auch.

Nun bin ich in diesen Räumen. Herrlich anregend, wunderbar positiv und freundlich. Jeder der diese Schule zum ersten Mal betritt, ist von der Atmosphäre angetan. Hier gibt es keine quadratischen Räume, eine anthroposophische Archtektin hat mit sehr feinem Gespür umgebaut. Das Gebäude war nicht immer so. Da habe ich eine interessante Geschichte, aber die hebe ich mir für einen anderen Beitrag auf, denn dieser hier wird schon wieder viel zu lang.

Kennt ihr das? Man betritt einen Raum und spürt sofort etwas. Sei es Kirche oder Amt, über allem schwebt eine Stimmung, die man oft nur halb bewusst erfasst. Und doch beeinflusst sie schlagartig das eigene Befinden.

Ich denke, diese Stimmung kommt nicht nur durch Äußeres, sondern auch durch die Menschen, die hier arbeiten, zustande. Diese Menschen wiederum sind stundenlang dem Gebäude ausgesetzt, fühlen ebenso wie der Neuankömmling, nur eben schon unbewusster. Eine Wechselwirkung die sich auch negativ aufschaukeln kann.

Nickname 29.11.2006, 02.02

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Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Eveline

Architektur haben die vor mir schon...

Kennst du auch so Leute, wo man meint, die Fenster aufreissen zu müssen, so viel "schlechte Luft" bringen sie rein....?
Da hilft dann das wunderschönste Büro(gebäude) nix.....

vom 30.11.2006, 00.06
4. von Karin

Natürlich verbreitet Architektur, für jeden einzeln, in einem drin, aber auch für jeden anders, je nach Geschmack und Erfahrung, eine Atmosphäre.
Aber darauf jetzt automatisch auf die allgemeine soziale Stimmung zu schließen, finde ich - auch eben WEIL es auf jeden anders wirkt - viiiiiiiel zu hoch gegriffen. Schließlich hängt das auch wiederum vor Allem auch von den Menschen ab, die dort sind, wie das Miteinander sich gestaltet, etc.

Der Betonklotz ist architektonisch tatsächlich absolut lieblos gebaut, trist und allgemein aufs Gemüt drückend - ich würde da (einfach vom Gefühl her) auch nicht gerade GERNE hingehen. Da wäre mir schon der "Klosterbau" trotz kleiner Fenster (obwohl, auf einem Bild sind auch GROßE Fenster zu sehen!) deutlich lieber.
Dein Arbeitsplatz, liebe Tirilli, wirkt auf mich zwar auch in seiner Schlichtheit, dem Konzentrieren auf das Wesentliche, luftig und leicht - aber irgendwie wirkt diese moderne Architektur auf mich auch irgendwie kalt. Da finde ich es schön, dass die tollen Gemälde moderner Kunst dem etwas entgegensetzen. Aber wenn die nicht wären...

Wie gesagt, es ist alles relativ.

Darf ich zum Schluss noch einmal daran erinnern, dass das Gutenberggymnasium auch ein schönes altes Gebäude, mit historischem Eingang und großen Fenstern, ist? Auch meine ehemalige Schule in Ostbelgien ist alt - nur dass dort im Verlauf der Geschichte meines Wissens niemand jemals Amok gelaufen ist.

Ich glaube nicht, dass man da irgendwelche Rückschlüsse / Verbindungen ziehen kann. Damit hat es nichts zu tun. (Ich habe mich in meinem Blog ja schon ausführlich mit dem Thema befasst und dazu geäußert.)

vom 29.11.2006, 21.51
3. von Falk (Psycho-Blog)

Ich denke, da spielt aber auch eine Rolle, was man selbst für Gedanken und Gefühle in die Situation hineinprojiziert oder woran einen das vielleicht erinnert ;)

Auf mich selber wirkt das Außenfoto der erst genannten Schule irgendwie angenehmer als die Fotos in der zweiten Schule - wg. der kleinen Fenster und der Kirchenarchitektur... da muss ich irgendwie an eine Kloster denken (allerdings war ich noch in keinem *gg*).

Die Fotos von "Deiner" jetzigen Schule wirken allerdings auch auf mich recht angenehm.

Liebe Grüße
Falk

vom 29.11.2006, 18.10
2. von Renate

Vielen Dank, liebe Tirilli, für diesen informativen Beitrag!
Die Stiftschule in Klagenfurt erinnert mich sehr an meine Jugend bei den Englischen Fräulein in Traunstein. Auch dort war das Schulgebäude in verschiedene Innenhöfe aufgeteilt und wir haben unsere Schule wirklich geliebt!
Die von dir gestaltete Website gibt die Atomosphäre in der Musikschule sehr gut wieder - wie schade, dass ich so weit von Klagenfurt entfernt wohne, ich würde mir dort gern einmal ein Konzert anhören!
Zum Thema Architektur könnte ich auch einen Beitrag verfassen: Das 130 Jahre alte Bankgebäude, in dem ich arbeite, wurde ja in den letzten zwei Jahren von Grund auf saniert. Was dabei herausgekommen ist, findet nicht in allem meine Zustimmung. Vor allem die große alte Schalterhalle wurde in meinen Augen vollkommen "verhunzt"! wut Als Eingangstür prangt nun ein vergittertes "Kunstwerk", das in meinen Augen nicht zum Eintreten einlädt.
Ich werde wohl heute mal meine Digicam mit ins Büro nehmen ... ;)
Liebe Grüße
Renate

vom 29.11.2006, 08.39
1. von Caro

Hallo Tirilli,

ich glaube schon,dass die Gebäude,in denen wir uns viel und regelmässig aufhalten müssen,dazu beitragen können.Ich ging auch auf eine Schule die wie ein Betonklotz in der Landschaft stand,doch wir hatten keinen dabei,der irgendwelche Drohungen oder sonstige Gewalttaten ausgeübt hat.Bis heute ist mir von dieser Schule nichts bekannt.
Ich glaube,dass das Elternhaus und die Erziehung bzw.Nicht-Erziehung auch eine wesentliche Rolle spielen.

Meine Gedanken dazu :)

Liebe Grüsse Caro

vom 29.11.2006, 07.49