Ausgewählter Beitrag
Ist da wenigstens eine Leidensgenossin?
Niemand in meinem Bekanntenkreis hat das und es ist eine Eigenschaft, unter der ich oft sogar leide. Es ist mit ein Grund, warum ich gut alleine lebe.
Fünf bis sieben Tage lang mit seelenverwandten Menschen zusammen sein, viele wunderbare Gespräche führen, schöne Dinge unternehmen, das kann ich mit größter Freude. Aber dann ist eine Grenze erreicht, und sei es auch noch so schön, länger geht nicht. Ich bin danach auf eine Art und Weise ausgebrannt, die niemand in meinem Bekanntenkreis so kennt. Es beginnt mit dem Sprachzentrum. Mir fallen bei solcher Erschöpfung Begriffe spontan nicht mehr ein, Worte und Silben verdrehe ich plötzlich, die Zunge verhaspelt sich. Und wenn ich dann heim komme wird der Wunsch allmächtig, allein zu sein. Das war schon immer so. Deshalb frage ich die vertrauten unter meinen Gästen manchmal, ob sie vielleicht eine Stunde Ruhe haben wollen, ob sie sich vielleicht irgendwann gerne ein wenig zurück ziehen würden? Aber die meisten verstehen diese Bemerkung nicht, "aber warum denn?" fragen sie lächelnd, "willst du uns etwa los werden?"
"Wir haben dir was Gutes gekocht und essen auch mit" sagte meine Schwester als ich gestern um halbzehn heimkam, der Tisch war nett gedeckt. Schön, liebevoll... ich aber wünschte nur, allein zu sein. "Erzähl, wie war´s?.... Übrigens, wir haben gestern..." u.s.w.
"Ich bin sehr erschöpft." "Morgen nehmen wir erst ein Elektroboot und dann Tretbootfahren, ja? Und am Abend spielen wir Minigolf!" Ihr Partner bestärkt das begeistert. "Hm, ich brauche aber jetzt etwas Ruhe." Ach was, er ist doch nur noch einen Tag da! Und außerdem, danach hast du ja eh einen Tag Ruhe." (Bevor der nächste Besuch kommt, Schwester bleibt noch.) "Hm... ich habe das halt von Mutti geerbt, weißt du noch? Sie brauchte die Ruhe doch auch, liegt halt in den Genen!" "Ach was" und in einem Tonfall, als wäre es ein Fehler: "stimmt ja überhaupt nicht, Mutti brauchte keine" Und so weiter... pfff.
Andere würden sich über solche Action freuen, ich aber sehne mich nur nach Ruhe, kein Wort will ich mehr sprechen und erst recht niemandem zuhören. Viele meiner Freunde unternehmen jeden freien Tag etwas.... ich kann sowas nicht, geht nicht, unmöglich.....
Ich war heute natürlich am Boot, habe Minigolf gespielt und gequatscht. Denn ich setze mich bei Familie und Freunden nicht oft durch. Das, und auch etwas anderes, nämlich dass viele gute Bekannte gern mal (eh relativ nett) mit mir schimpfen, bin ich gewöhnt. Ich muss etwas an mir haben, dass das provoziert.
Nach Überwindung und heimlichem Grant waren die Unternehmungen dann eh wunderschön! Jetzt spielen sie Karten und ich darf am Compi sitzen, immerhin....
Wie du siehst, gibt es doch so einige "Leidens"genossen! Ich genieße immer meine Vormittage, wenn der Rabenmann schon zur Arbeit muss. Horrende Vorstellung, dass der Mann ja irgendwann mal Rentier wird und dann den ganzen Tag daheim verbringt! Ich glaube, dann muss ich ihn irgendwo in einem Verein anmelden...
vom 02.08.2008, 12.53