Ausgewählter Beitrag

Keine Fabel

Es war einmal im schönen Land Proporzien. Dort, zwischen grünen Bergen gab es eine malerische Stadt, die stolz einen uralten Drachen aus Stein ihr Wahrzeichen nennen durfte. Man nannte dieses Städtchen Jammerpfurz, obwohl dort leider schon lange niemand mehr so richtig gejammert hatte.
Ganz im Gegenteil, man trompetete, bellte, quakte, brüllte und pfiff mit Leidenschaft in den blauen Himmel und alle waren stolz auf die Musikalität der Einwohner dieser südlichsten Provinz von Proporzien.
Der Herrscher dieses kleinen Paradieses war der Wolf. Er war ein sehr fleißiger Wolf und heulen konnte der! Sogar bis ins ferne Amerika waren seine Töne und Rülpsereien gedrungen. Naturgemäß war er auch sehr geschickt. Bald nach seiner Thronbesteigung gelang es ihm zum Beispiel, fast alle Füchse aus ihren Ämtern zu drängen, denn Füchse mochte er nicht, schon wegen ihrer Farbe. Sein blauer Wolfsrudel herrschte nun fast uneingeschränkt über alles was da kreuchte. Bald nachdem sich alle Mitglieder des eigentlich braunen Clans nach Wunsch des Oberwolfes in einen orangen Schafspelz gewickelt hatten, bekam sie Ämter und große Brocken schönsten edlen Fleisches.

Ganz im Zentrum des herrlichen Städtchens Jammerpfurz war noch unter der Herrschaft der Füchse eine schöne große Klangschule entstanden. Da wurde gegackert, gemuht und gesummt, dass es eine Freude war. Aber gewolft wurde wenig, obwohl der große Wolf so großen Wert auf des Volkes musikalische Stimme legte und die sei doch wölfisch, wie er dezidiert erklärte. Die lehrenden Tiere der Schule aber ließen sich trotz verborgener Drohungen nicht überzeugen und zum ersten Mal musste der große Herrscher ein klein wenig beigeben.
Nun hofften die klangpädagogischen Tiere, vor dem Wolf erst mal Ruhe zu haben, aber sein Schatten streifte sie doch immer wieder.

Gerade eben war er wieder über eine frisch von der Sommerweide heimgekehrte Ziege gehuscht! Und das kam so:
Sie war gerade dabei gewesen, im Klangstall aufzuschreiben, welche Tierkinderchen jetzt neu in die Schule eintreten wollten. Leider waren es viel zu viele, die mit ihren Klauen an Saiten zupfen wollten. Achtundreißig waren es, aber Platz war da nur für vier oder fünf! Der große Wolf erlaubte nämlich den arbeitslosen Zupfziegen und Klimperböcken nicht, in der schönen Klangschule mitzuhelfen.

Die vielen Mamas und Papas standen also vor der Ziege und mussten sich vormeckern lassen, wie wenig Plätze für ihre Ferkelchen, Mäuschen und Welpen in der Klangschule des Städtchens dieses Jahr frei seien. Und dass die lieben Kleinen deswegen einen Aufnahmstest machen müssten, aber nur wenig Hoffnung auf Aufnahme sei.
Gerade als Frau Ziege das dem vordersten Rebhuhn in der Warteschlange eindringlich erklärte, stolzierte der Pfau daher und drehte ein Rad. Der Pfau war der unverbindlich freundliche Direktor der Schule, glänzte aber ansonsten meist durch Abwesenheit.
Jetzt aber versuchte er, der Ziege etwas Geheimes zuzuraunen, was ihm aber mit seinem gellenden "ääiau" nur dürftig gelang. So hörte vermutlich auch Papa Esel und Tante Fledermaus, dass Ferkelchen Nina aufzunehmen sei, ihre Schweinemami sei schließlich wölfisch und der Papi außerdem in der Wolfshöhle tätig. "Geht doch nicht!" meckerraunte die Ziege verzweifelt, doch das nütze nichts und alle Tiere rundherum sahen betreten zur Seite.
Doch damit nicht genug. Mit spitzem Schnabel stülpte Direktor Pfau der Ziege ein Anmeldeleder über ihre kleinen Hörnchen und sprach: "Die Tochter der Blaumeise musst du auch nehmen. Sie hatte bei Frau Dromedar Unterricht, ist also schon Schülerin des Stalls. Sie fühlte sich aber von Frau Dromedar zu sehr angespuckt, deshalb der notwendige Klangpädagogenwechsel. Blaumeischen hat ein Recht auf Unterricht, ist außerdem eine ausgezeichnete Schülerin, du wirst glücklich sein mit ihr! Natürlich musst du sie ohne Aufnahmetest nehmen, ich bestehe darauf!"
Wie Frau Ziege von Kollegin Dromedar später erfuhr, stimmte nichts davon. Blaumeischen könne absolut nichts, sei zu faul zu tirillieren, wolle das nicht einmal und sei außerdem schon seit drei Jahren nicht mehr da gewesen.
Lug und Trug des Herrn Direktor Pfau also.

Warum tat er dies?

Das frage keiner, über den Schatten des Wolfs zu grunzen ist ein wenig ungesund.

Nickname 13.09.2006, 01.00

Kommentare hinzufügen


Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Gabriela

Du hast FABELhaft beschrieben, was auch hier unter "enchufe" so alles läuft :-(
Betroffene Fuchsgrüsse *g* von Gabriela

vom 14.09.2006, 01.28
Antwort von Nickname:

vielen Dank liebe Gabriela! :-)
4. von Sunny

Liebe Tirilli, auch, wenn ich mich köstlichst amüsiert habe beim Lesen dieser grandios geschriebenen "Fabel" (sollte unbedingt veröffentlich werden), ist die Erkenntnis, wie die Dinge heute (oder eigentlich schon immer) laufen, einfach schockierend und total frustrierend. Wie hälst du lieber Mensch das nur aus zwischen all den Dromedars, Ziegen und Ehepaar Pfau?

Zumindest hat es dich zu solcher Geschichte inspiriert ... herrlich !!!

Liebe Grüße von Sunny :)

vom 13.09.2006, 10.30
Antwort von Nickname:

ach, so lieb bin ich gar nicht. Frau Dromedar ist ganz nett. Nicht meine Wellenlänge, aber trotzdem. Es gibt einige Lehrer, mit denen ich sehr befreundet bin und mit fast allen komme ich gut aus. Manchmal glaube ich, sie fürchten aber auch meine offenen Worte, ich spreche auch Dinge an..... aber schon vorsichtig, ohne absichtlich zu verletzen. Versuche es zumindest...
Danke vielmals Sunny! LG:!
3. von Frau Waldspecht

Warum er dies tat? Belaste dich nicht mit der Suche nach einer Antwort. Nimm´s wie´s ist, alles andere ist ungesund.
Proporzien ist überall, die Zahl der Wölfe unheimlich groß. Und Vitamin "B" wird überall als Mittelchen der Wahl eingesetzt.wut
Liebschde Grüße, Anette

vom 13.09.2006, 10.14
2. von Eveline

Mit dem Wolfsrudel haben die Lupos fei schon überhaupts gar nix zu tun, das ist eine ganz andere Meute, die ist auch nicht im entferntesten irgendwie verwandt... wut

Wünsch dir gute Nerven.... *baldrianreiche*

... und einen schönen Tag!

Huggels - steh drüber ;)

vom 13.09.2006, 09.11
1. von Renate

Ach mei, ich hätte mir jetzt eine schönere Gute-Nacht-Geschichte gewünscht ... :(
Du weisst doch, vom Ärgern kriegt frau nur Falten und Bauchgrimmen! Ich wünsch dir viel Geduld und Gelassenheit mit den Dingen, die man halt nicht ändern kann!
Schlaf gut und träum was Schönes (aber nicht von Wölfen und Pfauen!)
KNUDDLER
Renate

vom 13.09.2006, 01.21