Ausgewählter Beitrag
Neue Klänge
Heute bin ich fix und foxi. Nach der normalen Arbeit habe ich noch mit Schülern aller Instrumentengruppen bis halb neun ganz straff ein zeitgenössisches Werk geprobt. Die Zeit war zu knapp für das Vorhaben und ich musste antreiben, bis ich selbst schweißgebadet war. Aber sie waren ja eh recht engagiert, jedoch, hier und da machte sich trotzdem Unwillen wegen der Länge der Probe breit. Ist ja auch verständlich, sie hatten einen langen Tag hinter sich und mit den dissonanten Klängen können sie sich im Moment noch nicht anfreunden. Ich habe ihnen dann einen eindringlichen Vortrag gehalten um zu erklären warum wir das machen.
Zu einer vollständigen Ausbildung gehört doch wenigstens einmal ein Werk eines Zeitgenossen. Sie sollen verstehen lernen, warum man heute so und nicht anders komponiert und die dramatischen Geschehnisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dabei nicht außer acht lassen. Und sie sollen versuchen sich gegen neue Klänge nicht zu sperren auch wenn sie zuerst befremdlich wirken! Denn wenn man sie besser kennt, mag man sie plötzlich und sie können als spannend wie ein Krimi empfunden werden.
Diese Erfahrung sollen sie wenigstens einmal machen.
Soll ich irgendwann einmal auch hier schreiben, warum heutige Komponisten so und nicht anders komponieren können?
Auf jeden Fall sind Kulissenschieber wichtig und erstrebenswert. Wie will eine Gesellschaft anders verstanden werden, wie durch das hinter die Kulissen schauen, wie sonst soll der Einzelne die Mechanismen der Macht durchschauen? Das dieses Schauen auch mal fehlerhaft sein kann ist doch ganz natürlich, kein Mensch ist ohne Irrtum und fehlerfrei. Die aktuelle Situation ist doch so dramatisch und noch nie so dagewesen, daß es für das freie Überleben des Bürgers, des einzelnen Menschen nichts Wichtigeres geben kann, will er auch zukünftig noch autonom und freiheitlich leben können.(siehe meine Beiträge im Netz zu Bigbrother und Orwell 2005) Wie anders sollen wir die Machenschaften der Ober- und Hintertanen beurteilen können? Den Vorhang beiseite schieben heißt, die „geheime“ Macht der allgegenwärtigen Meinungsmacher und Manipulateure zu sehen und zu deuten. Diese bestimmen, was wir essen und trinken, wohin wir reisen, was wir kaufen, ja sie können sogar über Leben und Tod entscheiden. Meinungsmacher haben Kriege „verkauft“ (siehe den Balkankrieg und die zwei Golfkriege in jüngster Zeit) und das 20. Jahrhundert geformt. Sie werden es dieses Jahrhundert noch viel totaler und diktatorischer tun. Höchste Zeit also, die unsichtbaren Marionettenspieler sichtbar zu machen. Osram so hell wie der Tag.
vom 05.11.2005, 05.26