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Schülerkonzert - wie sowas ist

Generalprobe in ständiger Zeitknappheit, ca. 20 Gitarren in einer halben Stunde stimmen und dabei die Schüler zur Ruhe ermahnen, eine Rede vor dem Publikum schwingen, Notenständer und Sessel richten, mit den Schülern mitbeben, wieder die Bühne umräumen und wieder und wieder.... Und danach auf die anstürmenden Eltern eingehen und Schülern die richtigen Worte sagen. Schließlich Nachbesprechung mit der Kollegin in einem Lokal und dann endlich zu Hause und nur noch flach liegen.

So sieht so ein Konzerttag aus und es ist wohl stets der anstrengendste in der Arbeit, abgesehen von den vielen Extraproben davor.
Diesmal hatten wir sehr viel Ensemblearbeit gemacht, manchmal standen mehr als zehn Schüler auf der Bühne.

Eine blöde Situation gab es diesmal. Nachdem die beste Schülerin dieses Stück gespielt hatte, fing ich sie beim Hinauseilen noch auf der Bühne ab, es war ihr letzter Auftritt, weil sie nun maturiert und dann studieren gehen wird. Mit meinem Arm hielt ich diese sensible zarte Person um die Schulter und erzählte dem Publikum, dass sie nun acht Jahre bei mir gewesen sei und wie viel Freude ich stets mit ihr gehabt hätte, ich meinte außerdem, dass es mit ihr nie Arbeit gewesen sei sondern stets nur Vergnügen und sie immer jeden musikalischen Auftrag mit freudigem Enthusiasmus und gerne erfüllt hatte. Bei meinen Worten gab es immer wieder Zwischenapplaus.

Dies alles konnte ich dann leider nicht mehr stoppen, weil ich nun schon mal damit angefangen hatte, aber ich hätte gern. Denn während meiner Worte fing sie vor allen an zu weinen. Es war ihr einfach zu viel, der Druck vor dem Konzert durch das Lampenfieber, die Abspannung nach dem letzten Ton und dann kam auch noch ich. Blöd, ich kam mir dann unsensibel vor, aber es war zu spät.

Aber ich hatte einen Grund, sie auf diese Weise ehren und belohnen zu wollen. Denn nach jedem Vorspiel in all den Jahren machte sie sich danach selbst schlecht. Da kann man als Lehrer reden und reden, es nützt alles nichts. "Merkst du denn, wie schlimm du zu dir selbst bist?" sagte ich erst unlängst zu ihr in diesem Zusammenhang. "Du zerfleischt dich damit innerlich und in Wahrheit, denk mal nach, wie viele in unserer Stadt können auf der Gitarre so viel wie du, hm?"

Wenn aber jemand mal so eine innere Strenge zu sich selbst entwickelt hat, ist es schwer da was zu ändern.

Hm... ich kenne das von mir selbst, bin eigentlich genau so. Tjaa.

Diesmal war nach Jahren endlich wieder einmal ihre Mutter im Konzert, die Eltern kamen nie, ist das nicht schlimm? Und ich nützte die Gelegenheit, auch mal vor der Mutter das alles anzusprechen. Ich meine dieses sich selbst nie genügen! Ist schlimm und sie muss es ja irgend woher haben, daher finde ich gut, dass die Mutter das mal anhören musste.
Und dann kam die Überraschung. Die Schülerin meinte plötzlich neben der Mutter: "Bitte, ich will das Stück beim großen Schlußkonzert der Schule vorspielen!" Ich war hin und weg, das Schlusskonzert ist der größte Stress überhaupt, da von allen Lehrern nur der beste Schüler spielt, also alle Lehrer da sind und auch Politiker, es ist das Aushängeschild der Schule. Da ich sehr emotional bin, umarmte ich sie in meiner Überraschung spontan gleich mal kurz und ich spürte sie vollkommen regungslos zwischen meinen Armen. War ich schon wieder zu weit gegangen? Hier aber sagte ich mir dann aber: macht nichts, sie soll ruhig auch mal sowas erleben, es kann ihr wohl kaum schaden.

Nickname 13.05.2009, 01.28

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Ruthie

Ich denke, Du machst das schon gut, wie Du es machst. Und wenn von den Eltern schon nix kommt, weiß so eine Schülerin wohl für immer, dass ihre Lehrerin zu ihr hielt und sie gut fand und gelobt hat.
Das kann doch für's Leben nur gut sein, ich kenne da aus dem Schülerleben meiner Kinder genug gegensätzliche Beispiele!!
Liebe Grüße von Ruthie

vom 13.05.2009, 15.00
1. von Martha

mir schnell eine Träne der Rührung wegwisch

danke für's Erzählen, bisous, Martha

vom 13.05.2009, 14.26