Heute war ich im Theater. Trotz Krankheit wollte ich die Karte nicht verfallen lassen.
Aber ich bin in der Pause des 2 3/4 Stunden langen Stücks gegangen, und das nicht nur wegen meinem Unwohlsein.
Gespielt wurde „
Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horváth. Inszenierung von Martin Kušej. (Koproduktion mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg)
Das Stück begann mit einem, der an Krücken schwer über die Bühne lahmte und sich dann in den Mund schoss. Die Personen die allmählich die trist gestaltete Bühne betraten, waren abgründig. Selbstbezogen, mitleidslos, grausam, lauernd und berechnend. Kaputte Menschen, ohne Lichtblick.
Dem Publikum wird von Kušej mit seiner Neuinterpretation des Stückes nichts erspart.
„Kušej imaginiert das absolute Schwarz, das unausweichlich Selbstvernichtende, den elegisch zelebrierten Horror-Trip.“
DIE WELT
Anscheinend hält er die Menschen für derart abgestumpft oder abgebrüht, dass er meint, sie mit drastischen Mitteln aufrütteln zu müssen.
Ich bin nicht abgebrüht. Habe es kaum ertragen und dabei gelitten. Hauptsächlich dieses schonungslose Offenlegen menschlicher Abgründe machte mir zu schaffen.
Mir schien, es würde versucht, mir wie mit einem Holzhammer klar zu machen, wie auch ich mir eine naive, also falsche heile Welt zusammengebastelt hätte. Das Gute im Menschen sei Luxus, schien die unausgesprochene Botschaft zu sein.
Aber ich will positiv sehen, ganz bewusst! Ich will in einigen Dingen naiv bleiben! Ich will mir mein Menschenbild nicht zertrümmern lassen! Denn ich denke, alles andere führt in eine Sackgasse. Und in die Verhärtung des mitmenschlichen Bewusstseins.
Ich will weiterhin zuerst an das Gute im Menschen glauben. Nicht nur, weil eine negative Grundstimmung nur weiter Negatives gebiert. Sondern auch, weil ich weiß, dass doch jeder im Grunde angstvoll an seiner Unvollkommenheit leidet.
Wenn ich ins Theater gehe oder ins Kino, also wenn ich mal gehe, dannwill ich mich unterhalten, dann will ich mich amüsieren und will den Alltag vergessen. Den ganz alltäglichen Wahnsinn von Transrapidunglück bis lügende Politiker, von Klimakatastrophe und Kopftuchstreit usw usf - das darf man doch auch einmal abstreifen für ein paar Stunden, oder? Haben wir da wieder das Theater als morallische Anstalt, der Zuschauer soll als Geläuterter das Haus verlassen? Bitte gerne, aber ohne mich.
Krieg nur kein schlechtes gewissen, liebe Tirilli!
gruß
Kehrtraud
vom 24.09.2006, 09.09