Ausgewählter Beitrag

Über Vergangenheitsbewältigung.

Es ist manchmal ganz schön interessant als Österreicherin unter lauter Deutschen ein Blog zu haben und in anderen zu stöbern.
So auch bei dem Thema Vergangenheitsbewältigung. Mir fiel immer wieder auf, wie verschieden Deutsche und Österreicher darauf reagieren. Kommt nur annähernd irgendwo ein Thema wie im vorigen Beitrag, ist sehr schnell in einem Kommentar zu lesen: "Was kann ich dafür? Ich war noch nicht auf der Welt, es ist genug damit!" Heute schrieb Veety: "Sitzt die "Schuldfrage" wirklich so fest eingebrannt fest?" O.K. in nicht ganz gleichem Zusammenhang, erst recht fällt auf, dass dieser Gedanke sich so sehr festgesetzt hat, dass er immer wieder aufbricht.

Bei der Mehrzahl der Österreicher ist das anders. Sie gehen damit lässiger um. Schließlich konnten sie sofort den Alliierten weismachen, sie wären überfallen worden. Nur durch diese nicht ganz richtige Behauptung war es möglich, relativ schnell zu einem guten Staatsvertrag zu kommen.

Mit "lässig" meine ich die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: Es laufen lassen, sich nicht  besonders zu engagieren. "Jo mei, des is holt passiert, jo oarg" und an die dunkle Seite "im eigenen Haus" denkt schnell kaum noch einer. Die Deutschen sind da gründlicher, auch in der Selbstzerfleischung.
Österreichs Politiker und besonders der Rundfunk hatten zwar Vergangenheitsbewältigung zum Thema gemacht, aber gleichzeitig viel unter den Tisch gekehrt. So wurden ehemalige Nazis sehr schnell von allen Parteien umworben, aufgesogen und kamen sogar an maßgebliche Stellen. Noch heute findet man immer wieder Geschichten über fatale Versäumnisse bei der Wiedergutmachung an enteigneten Opfern.

Und der gelernte Österreicher? Der ist nach meiner Erfahrung da nicht so sensibel, bezieht die Vorwürfe in selteneren Fällen auf sich persönlich als der Deutsche.
Wenn er der nachfolgenden Generation angehört ist das ja auch normal und richtig, darüber braucht man gar nicht zu diskutieren. Und wer von den Älteren sich nichts vorzuwerfen hat braucht sich auch nicht zu verteidigen!

Mir kommen solche Sätze wie der oben angeführte aber immer wie eine Verteidigungsrede vor. Ja was denn verteidigen?

Es gibt bei uns aber immer noch genug, die hinter hervorgehaltener Hand jetzt noch glauben, dass Österreich besiegt worden ist. Sie haben sich nicht geändert, sind nach wie vor bereit, alle Menschen in eine Diktatur und in Kriege zu stürzen. Das dürfen wir niemals vergessen, denn:


NIE WIEDER SCHWEIGEN, WENN UNRECHT GESCHIEHT
und:
Wer zum Helden nicht taugt, muss eben wachen in Friedenszeiten.

Nickname 11.01.2006, 22.51

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Susi

Mit der Selbstzerfleischung hast du ein gutes Wort hier eingeworfen. Warum sind wir Deutschen so? Weil die anderen Länder immer noch mit dem Finger auf uns zeigen. Nebenbei bemerkt, war Hitler Österreicher, was die wenigsten aber wissen und hier auch kein Vorwurf sein soll.

Wie bei Veety im Comment schon bemerkt

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auf die anderen zeigt niemand 60 Jahre und fordert Schulden ein. Das ist es, was mich ärgert. Bei den anderen Ländern scheint der Rest der Welt blind zu sein, nur bei den Deutschen nicht.

Dass sich die Geschichte niemals wiederholen darf, das steht außer Frage. Auch würde ich niemals verneinen, dass es diese Schande gegeben hat.

Ein kleines Erlebnis noch zum Abschluss, dann werde ich mich auch nicht mehr äußern zu dem Thema:

Der Sohn meiner Freundin ist gerade auf eine Gesamtschule hier im Ort gewechselt.

Die Kinder mussten sich vorstellen, lernten sich so kennen.

Ein Junge erzählte bei der Vorstellung, dass er jüdischen Glaubens ist. In der Pause fragten die anderen Kinder, was denn so anders sei an ihm.

Antwort eines knapp 10-jährigen:
Ich bin einer der Nachkommen, die eure Großeltern und Urgroßeltern ermordet haben.

Wenn schon ein unschuldiges Kind im Elternhaus so darauf getrimmt wird, wie sollen wir dann jemals mit diesem "Schandfleck", wie du es so schön geschrieben hast, abschließen. Und damit meine ich nicht vergessen.

Allerdings muss ich Burkhard recht geben... der Deutsche darf solche Äußerungen einfach nicht tun, er muss sich weiter einfach in sein Schicksal ergeben, alles andere wäre verfassungswidrig.

Dann ist die Mentalität einiger deiner Landsleute, dass "lässig" wohl doch die bessere Lösung? Die sollte ich vielleicht auch anwenden und sagen: Ok, es ist passiert und schon so lange vorbei. Es interessiert mich einfach nicht mehr.




vom 12.01.2006, 06.54
3. von Burkhard

Normalerweise schreibe ich zu diesem Thema nichts mehr, weil in Absurdistan Germanistan ein mit gefährlichen Tretminen gepflastertes Terrain, man steht schneller vorm Richtertisch und mit einem Bein im Kittchen. Siehe die „Verbotene Wahrheit“ und wie Klaus Krusche da voll ins Fettnäpfchen gelatscht ist. Mein Eindruck für 2005 war, je länger zurückliegend umso hysterischer und aufdringlicher die „Betroffenheitsorgien“, sodaß ich nun wirklich dieses Thema nicht mehr hören mag, man erreicht dadurch bei vielen Menschen eben nur das Gegenteil. Im übrigen sind viele Filme und Bücher dazu erfunden und entsprechen nicht der Wahrheit (Holocaust ein Hollywood Produkt/Film, dieser Begriff wurde erst richtig mit diesem Film geprägt) Siehe das Buch „Die Holocaust-Industrie“. Um evtl. Denunzianten vorzubeugen, obiger Text will nicht ausdrücken, ich sei ein „Holocaust-Leugner“, allein dies ist in D. schon strafbewehrt.In früheren Jahren habe ich mich intensiv damit beschäftigt, meine Meinung gebildet, will aber nicht jeweils auf Knopfdruck einem Betroffenheitskult frönen.

vom 12.01.2006, 03.39
2. von Veety

Oh, das Einsetzen von Ehemaligen hat auch in Deutschland gut funktioniert. In irgend einer Doku gab es den Satz, "Ja, was sollten wir denn machen? Es gab ja keinen Nachwuchs mehr, und so haben wir auf ehemalige //Beruf// zurück gegriffen."

Nicht wörtlich, aber so ähnlich.
Ob Lehrer, Richter, Polizei, egal, hauptsache es läuft halbwegs weiter. Vorher überzeugt, nachher "ich war ja nicht so schlimm".

Was mich aber viel nachdenklicher macht ist: Was wäre, wenn unter genau den gleichen Umständen das Gegenteil eingetreten wäre? Würde auch nur einer ein schlechtes Gewissen haben? Ich persönlich glaube das nicht, denn dann wäre Patriotismus angesagt und Stolz auf die enormen Leistungen.

Die ehemaligen Großreiche unter Alexander, Karl, Dschingis Kan, Römisches Reich, Inka Reich etc. sind auch nicht per Nächstenliebe entstanden. Geblieben ist nur die Achtung vor der unglaublichen Leistung, solch große Staatengebilde zu formen und zu erhalten - bis sie allesamt untergingen.

Übrigens und nur als ein Beispiel unter vielen - ist für den Großteil der Amerikaner der in meinen Augen Genozid der amerikanischen Urbevölkerung kein Grund zum schlechten Gewissen. Warum auch? Ist doch God's own country.

vom 11.01.2006, 23.08
Antwort von Nickname:

Ich bin eine unverbesserliche Optimistin.
Ja, es wäre noch eine Zeit lang so weiter gegangen. Aber wie die Geschichte lehrt zerbröckelt jede fanatische Ideologie und jede Großmacht dann doch. Das Gute siegt immer wieder, aber leider für so viele immer zu spät. Und inzwischen entsteht woanders eine neue Unrechtsregierung.
Ein gutes Beispiel wurde mir gerade eben im Fernsehen gezeigt. Es ging um Chile. Das Land hat sich allmählich und mit Beständigkeit zu einer funktionierenden Demokratie gewandelt. Der über neunzigjährige Pinochet wird gerade vor Gericht gestellt. Die Verteidigungsministerin, die auch Kandidatin für das Präsidentenamt ist, betrieb erfolgreich die Aufarbeitung der unrühmlichen Vergangenheit des Militärs.

Wie man sieht erst nach Jahrzehnten. Aber trotzdem, immerhin.
1. von Eveline

Applaus zu den letzten Zitaten, das erste ergänzt durch "und lasst es uns merken".

Zum Rest: ich glaub, ich bin schon ganz schön verösterreicherlicht oder verösterreicherischt oder wie muss das dann heißen - ich bezieh da schon gar nix auf mich persönlich ;)

Wart nur, bis der Herr Lupo kommt - der ist nämlich Tiroler :D

Huggels**

vom 11.01.2006, 23.04