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Zugfahrten

Östereichische Bundesbahnen schaffen Orte zur Stärkung der Persönlichkeit.

Ich wollte vor der Abreise nicht frühstücken. Schließlich, was gibt es schöneres als ein Gelage im Speisewagen? Aber den suchte ich vergebens, keiner da. Der mobile Futterverteiler kam auch nicht durch, alle Gänge mit Menschen vollgestopft. Vermutlich zur Stärkung der völkischen körperlichen Fitness, fanden nämlich viele keinen Sitzplatz zum plattdrücken vor. Also allgemeines Stehen und Hungern, ich aber immerhin sitzend. Eh besser, die Zugtoiletten waren vielleicht, wie schon so oft, zugesperrt. Die schicksalhafte Verhinderung von Kalorienzufuhr hatte also ihr Gutes, ja sie war vermutlich die reinste christliche Nächstenliebe und sollte wohl die Disziplinfähigkeit trainieren. Persönlichkeitsstärkend, wie gesagt.
Die Klimaanlage tat ihr bestes zur Abhärtung. Windstärke 1, eiskalte Luft als Frischzellenkur. Ich verweigerte die Therapie und drapierte meine zwei Jacken über verschiedene Teile meines Luxuskörpers. *bibber* Herr Schaffner meinte freundlich, alles automatisch, da könne er aber schon gar nichts machen. Ein an der Tür sitzender Bursche wurde gratis zum Boddybuilding animiert. Die Abteiltür hielt nämlich dem Rütteln, Bremsen und Abwärtsfahren nicht stand und rutschte immer wieder auf. Er schloss sie immer wieder mit einer deutlich geschickter werdenden Bewegung der Beine. Übrigens gut, dass er und der andere so billige Kopfhörer hatten, solche die den Schall nicht ganz schlucken. Da konnte man in Stereo gleich Techno und Pop gleichzeitig hören. Ein ungemein wirsames Training für mehr Geduld und Toleranz wurde da geboten.

Die Rückfahrt war übrigens auch schulend. Ich hatte mich vorsorglich wärmer angezogen. Nur, diesesmal war das Abteil drückend heiß. Einer derer, die zur Musterung fuhren, beschwerte sich beim netten Schaffner. Der hob zum Zeichen seiner Resignation die Arme: "Alles automatisch, da könne er aber schon gar nichts machen." Speisewagen gab es, aber zu dem musste man sich ordentlich durchgerüttet an vielen stehenden Mitreisenden vorbeidrücken. (Sportförderung!) Restlos besetzt war er leider, der rollende Fresstempel. Also Gratisdiät! Macht nichts Herr Vonferdl & Friends hatten mich ja eh die letzten 3 Tage bis oben hin abgefüttert.
Nun hatte der Zug aber ein bisschen Verspätung. Eh nur 20 lächerliche Minuten. Doof nur, dass der Anschlusszug nicht die sechs Minuten auf uns warten konnte. Ein Regionalzug, ja, der muss doch nachts pünktlich die Dörfer anfahren, sieht man ein, gell. Weg war er also. Großzügig verlautete, unser Intercity würde in einem der Dörfer außerplanmässig Halt machen, war ja eh dieselbe Strecke. Wie schön. Mein Dorf war es leider nicht. Und genau in dem Moment, als ich meinen Notruf nach Hause absetzen wollte, war der Akku des Handys leer. "Herr Schaffner, da muss mir aber die ÖBB das Hotel zahlen! Schließlich geht kein Zug mehr!" "Nein, Hotel nicht, aber ein Taxi vielleicht" "Oder Sie ermöglichen mir einen Anruf!" Gut, aber nicht mit meinem privaten Handy, ich hole das dienstliche." Sprach´s und ward nie mehr gesehen. Jemand hat ausgeholfen, sonst hätte ich zu Fuß durch die dunkle verregnete Nacht wandern müssen. PERSÖNLICHKEITSSTÄRKEND, DANKE ÖBB!

Schöne Fahrten waren das... Nur blöd, dass Auto fahren so viel billiger ist!!

Es gäbe noch eine Zuggeschichte. Eine mit...hm....vermutlich Lord Voldemort. (Ihr wisst doch, der von Harry Potter!) Wollt ihr die? Nun schreit mal kräftig: JAAAAAA! ;-)

Nickname 18.09.2006, 02.36

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Kommentare zu diesem Beitrag

6. von Karin

Fazit: In Deutschland sind die Probleme im Grunde ähnlich wie in Österreich - nur eben mit anderer Ausprägung. :D

vom 18.09.2006, 20.30
5. von Karin

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen... Dieses Sprichwort hat sich auch bei mir schon oft bestätigt. Verspätete oder ganz ausgefallene Züge (passiert vor Allem auf dem Rückweg von Köln nach Düren), überfüllte Züge die einen zwangsläufig über eine Stunde auf dem Gang stehen bzw. teilweise auch hocken, wenn's geht) lassen (auf meiner Standardstrecke zwischen Köln und Düren natürlich nur eine halbe Stunde, aber dann kommt es auch nur bei größeren Veranstaltungen etc. vor)...
Dafür kommt ab und zu jemand mit einem Getränkewagen vorbei, aber nur wenige nehmen Notiz davon und noch weniger nehmen das "Serviceangebot" in Anspruch; ich auch nicht, weil es sich für die kurze Strecke nicht lohnt mehr Geld auszugeben als nötig ;).
ABER ich muss auch dazu sagen, dass ich GERNE Zug fahre. Man kann dabei zum Beispiel Dinge tun, die beim Autofahren sogar im Stau noch gefährlich wären: Wie etwa lesen oder gedankenversunken zum Fenster hinausschauen. Und man erlebt mehr dabei. Während man im Auto allenfalls das Radio einschalten kann oder sich mit dem Sitznachbarn locker unterhalten (tiefsinnigere Gespräche wären dann vielleicht doch zu ablenkend) kann, bietet das Zugfahren meist eine sehr viel größere Palette an Abwechslung. Wenn zum Beispiel sp komische Leute aller Art drinsitzen und sich lautstark über alles Mögliche unterhalten, so dass man sich nicht mehr auf sein Buch konzentrieren kann (was aber meist nicht so schlimm ist, weil man feststellt, dass das Gefasel oftmals doch viel interessanter ist - und sei es auch nur ob seiner Amüsanz... Nein, ich lausche nicht, aber bei der Lautstärke ist es halt unvermeidbar. Aber meistens wollen die Leute ja auch gehört werden, zumindest sollte man das meinen. ;)
Ach ja, Bahnfahren ist schööööön... :D

vom 18.09.2006, 20.27
4. von Trick_17

Ich bin ja letzte Zeit auch mal mit der Deutschen Bahn unterwegs gewesen, und kann mich da nicht beschweren. Einer muss ja mal das Fähnchen für den Zugverkehr schwenken. :D Fast immer pünktlich, prima Service und ich fand es auch sehr angenehm. Allerdings war ich fast nur mit dem IC oder ICE unterwegs. Und wenn man den den Wald der Angebote der Bahn durchgestiegen ist, dann ist es auch sehr günstig. ;)

LG Evi :)

vom 18.09.2006, 18.31
3. von Maria


Auch wenn ich mich öfter über die ÖBB ärgere, bin ich froh darüber, dass es sie gibt.
Da ich autolos lebe, bin ich auf das Zugnetz angewiesen.

Bei meinen Fahrten weg von Salzburg stelle ich immer wieder fest, dass viele Verspätungen durch Schnellzüge aus Deutschland entstehen, die fast immer 10 Minuten später eintrudeln.
Unsere Züge fahren relativ pünktlich ab, müssen in einem Anschluß-Bahnhof auf einen Zug warten. So verzögern sich die Abfahrtszeiten bald in ganz Österreich.

Ich hab mir auch angewöhnt, an Freitagen und Sonntagen entweder einen Platz zu reservieren, oder auf die 1. Klasse auszuweichen (die ist nicht viel teurer), um den lauten Schülermassen zu entgehen. Auch wenn es jetzt nicht kinderfreundlich klingen sollte, aber die Schallwellen ihrer Kopfgeräte, die unterschiedlichen Melodien der Handys, die Laute der Notebooks und die Tonstärke der Gespräche kostet mich viel an Nerven.
Aber irgenwie müssen sie sich abreagieren, wobei ich daran zweifle, dass es auf diese Art und Weise geschieht.

Ob wir wollen oder nicht - wir müssen uns mit den ÖBB arangieren.

Maria


vom 18.09.2006, 13.21
2. von Eveline

Hoffentlich sind dir nicht irgendwann deine Gesichtszüge entgleist :D

Wenn ich das so lese, dann möchte ich doch nach Jahrzehnten wieder mal zugfahren - der Herr Lupo hat gestern die Nostalgie-Fahrt mit dem "Kaiser Max" verweigert, das war mir aber eh wurscht *ggg*

Diese Geschichte war ja jetzt schon schön, aber eine Zuggeschichte mit dem Lord möcht' ich NICHT lesen, das ist mir zu gruselig. Wenn ich mir vorstelle, was da alles passieren könnte.....
NEIN, also das möchte ich mir nicht antun :D

So, und was tust jetzt? :D :D :D

Hab einen wunderschönen Tag liebschde Tirilli - du könntest ja ein Geschichtchen vom Frankenstein auf Reisen bloggen :D

Lass lesen ;)

Huggels, start los :)

vom 18.09.2006, 09.08
1. von vonferdl

wenn du mal lust hast, deinen beruf zu wechseln, könntest du es mit reiseberichterstatterin versuchen.
nur mit der problemlösung hapert's noch, (in diesem fall wäre der speisewagen als toilette umzufunktionieren gewesen.) :D
huggles! (die beistrichregeln haste jetzt schon zu 98,7 prozent intus.)

vom 18.09.2006, 06.24