Ausgewählter Beitrag

Pädagogische Zweifel

Ich zur Klavierlehrerin: "Dieser kleine Wifzack da in deiner Klasse, der hat schon was drauf." (Es geht um den 8-jährigen über den ich mal schrieb)
Sie: "Findest du?" und dann zieht sie ein ein langes Gesicht.
Ich: "Doch, der ist wirklich ein starkes Persönchen"
Sie: "Heute kam der und meinte stolz, er könne schon dieses Weihnachtslied da am Klavier, habe er sich selbst beigebracht. Nur mit der rechten Hand hat der das dann vorgespielt, nur einstimmig bitte! Da habe ich dem gesagt: Na und? Das ist doch wirklich nichts besonderes! Da hole ich dir jeden Dodel von der Straße und der macht dir das mit links vor! Das was du da machst ist wirklich nichts besonderes! Mit zwei Händen, mehrstimmig, DAS wäre lobenswert gewesen!"

Die Reaktion der Klavierlehrerin gefiel mir nicht und machte mich nachdenklich. Denn eigentlich schätze ich sie sehr, beruflich wie privat, wir verstehen uns ganz ausgezeichnet.

Aber wie kann man nur einem kleinen Achtjährigen seinen Enthusiasmus gleich so sehr austreiben? Man muss doch froh sein, dass er von sich aus tut! Und begeistert auch noch! Da kann man doch einhaken und diese Begeisterung für weitere Leistungsschritte nützen!

Ich hätte gelobt und Freude gezeigt...... aber.....

Aber heute war ich mir dann plötzlich meiner nicht mehr sicher. Schließlich ist die Kollegin eine erfolgreiche Lehrerin! Lobe ich vielleicht doch manchmal zu bald? Ich dachte an das Blogthema von gestern.  Da stand: 'Lob, falsch gesetzt, kann kontraproduktiv sein'.
Vielleicht bin ich zu weich....? Schließlich, die Welt in die die Kinder wachsen, wird hart sein.
Ich las mal in einem interessanten Buch, dass Mütter den Umgang mit ihren Kindern unbewusst den aktuellen Gesellschaftsbedingungen anpassen.

Bin ich, vor lauter Enthusiasmus, den Kindern im Moment gut tun zu wollen, etwas betriebsblind geworden?

Und doch, ich muss echt bleiben, muss tun wie ich empfinde...

Nickname 07.12.2007, 01.27

Kommentare hinzufügen


Kommentare zu diesem Beitrag

7. von bibi

Liebe Tirilli,
jetzt lese ich schon über ein Jahr sehr regelmäßig und genüßlich Deinen Blog. Über den heutigen Beitrag bin ich so nachdenklich geworden, dass ich zum ersten Mal auch einen Kommentar abgeben muss: Was diese Kollegin (bin auch Musiklehrerin) da mit dem Kind gemacht hat, spottet ja jeder Beschreibung: Viele Schüler sind heute nicht in der Lage, sich selbst etwas beizubringen. Und für so einen kleinen Menschen ist es ja doch etwas Großes, ein Lied in der rechten Hand einzustudieren. Und genau das ist meines Erachtens das eigentliche Ziel jeden Unterrichts- selbständige Menschen hervorzubringen. Ich selbst war auch eine viel zu brave, angepasste Schülerin; meine eigentlichen Begabungen hielt ich schön zurück, weil sie nicht in den Unterricht passten. Heute finde ich das sehr schade und versuche, die Schüler zu ermutigen und zu motivieren, Neues auszuprobieren und ihre eigene Kreativität einzusetzen. Du, liebe Tirilli, bist auf dem richtigen Weg mit Deinen Schülern und überhaupt gefallen mir Deine Gedanken zur Musik immer sehr!
Liebe Grüße aus Bayern,
Bibi

vom 08.12.2007, 00.52
6. von Veety

Genau DAS Verhalten meines damaligen Gitarrenlehrers hat meinen Wunsch in Sachen Fingerstyle komplett abgewürgt. Heute ärgere ich mich natürlich darüber und erfreue mich an Gitarristen wie Ulli Bögershausen, John Williams, Andy McKee & Co.

Doch, ich hätte es gerne gelernt, aber das war die absolute Motivationsbremse.

Heute mache ich es mit meinen Gitarrenschülern so, dass, wenn sie eine (ein- oder zweistimmige) Idee haben, ich mit ihnen eine Begleitung erarbeite. Das spornt an, macht Spaß und ist eine dicke Portion auf's Seelenbutterbrot.

Ist, ähm, die Klavierlehrerin, mag sie noch so gut sein, möglicherweise eine gescheiterte Konzertpianistin?
Nicht wirklich böse gemeint, ist aber sehr oft so, dass nach einer "misslungenen" Karriere die Ansprüche an die irgendwovon-muss-man-ja-leben-Profession, bzw. die SchülerInnen, ins Extreme gesteigert werden.

Also, wenn der 8-Jährige mir das erzählen würde, bekäme die Frau Besuch.

Veety

vom 07.12.2007, 23.02
5. von Eva

Ich bin auch Deiner Meinung und der von Kehrtraud .... klar wird die Welt immer härter, aber deswegen brauchen wir uns doch da nicht anzupassen .... bleib autenthisch (((Tirilli))) .... ganz liebe Grüße von Eva :)

vom 07.12.2007, 22.54
4. von vonferdl

wie soll der fratz mit spätestens 11 jahren konzertreif sein, wenn er mit 8 noch nicht vierhändig spielen kann? :D

vom 07.12.2007, 22.04
3. von Falk

Die Art und Weise, wie sie es ausgedrückt hat, finde ich auf jeden Fall nicht i.O. Wobei sie das natürlich Dir gegenüber zum Ausdruck gebracht hat. Es stellt sich die Frage, wie sie sich dem Kind ggü. geäußert hat. Jedenfalls scheint sie in erster Linie von eigenen hohen Ansprüchen auszugehen (anstelle von "intraindividuellen" Fortschritten, wobei der persönliche Lernfortschritt zu beachten ist).

Einen gewissen fachlichen Hintergrund könnte die Kritik allerdings auch haben. Es ist nämlich leichter, etwas neu zu lernen, anstatt etwas umzulernen. In dem Falle: Von dem einhändigen Klavierspielen auf zweihändiges umzuschwenken.

Mit Musikinstrumenten habe ich es ja nicht so. Irgendwie bin ich da nicht gelenkig genug dafür. Ein anderes Beispiel ist jedoch das Erlernen des Schreibmaschineschreibens. Selbiges habe ich auch nicht richtig gelernt, allerdings über die Jahre der Arbeit am PC ein System entwickelt, bei dem ich blind schreiben kann und auch mehr als die Hälfte der Finger zum Einsatz kommen.

Liebe Grüße
Falk

vom 07.12.2007, 19.05
2. von Elena

Genau - ich bin ganz derselben Meinung wie Kehrtraud.
Und Du, liebe Tirilli, bleibe echt!!

LG E.

vom 07.12.2007, 16.39
1. von Kehrtraud

Liebe Tirilli,
ich finde das Verhalten der Klavierlehrerin nicht sehr aufbauend. WArum sagt sie nicht: Schön, nachdem du die rechte Hand so gut kannst, suchen wir etwas für die linke?"
Ich hab so den Verdacht, dass sie es nicht mag, wenn die Schüler ohne sie etwas lernen. Da könnte sie ja überflüssig werden.
Ich bin auch für loben, aber es muss echtes Lob sein. Ich kann nicht sagen, das hast du toll gemacht, wenn alles voller Fehler ist. ABer ich kann mir die Aufgabe genau anschauen und sagen, siehst du, das hast du schon richtig gemacht, das andere lernst du auch noch.

vom 07.12.2007, 08.59