Lebenslauf


Als ich geboren wurde war ich noch sehr jung.

Schon bald zählte ich die Tage, bis ich endlich bloggen könne.....



...und kritzelte schon mal ein bisschen.



Hmmmmm...äh, Lebenslauf? Nö, lieber doch nicht.
:-))

Aber ich werde diesen Platz allmählich mit Geschichten füllen die meinem Leben irgendwelche Wendungen gegeben haben.

Hier die erste:

Über das Stimmchen

  Diese Geschichte beginnt sehr früh. Ein entscheidender Erinnerungsblitz aus dem ersten Lebensjahr bestimmt einen grundlegenden Teil meines Denkens.
Es war, als meine beiden Schwestern mich noch halbes Baby als Spielzeug benutzten.
Sie steckten mich in meinen Kinderwagen, aber ich fühlte mich ihm entwachsen. Dann karrten sie mich raus auf die Straße um mich vorzuführen. Ich weiß noch genau, ich fand in diesem Wagen genügend Platz. Auch sehe ich die Aussicht nach vorne noch vor mir, aus der Perspektive der Liegenden und der Wagen erscheint mir so groß wie ein gemütliches Bett.
Nun führten sie mich jedem Fremden vor, der zufällig des Weges kam. Das war damals in Santiago de Chile, wo ich geboren wurde. Wie in allen lateinischen Ländern erlebt man bei den Chilenen eine ausgeprägte Kinderliebe und so blickten einige freundlich in den Wagen. Ich erinnere mich nur an ein männliches Gesicht das mich kurz betrachtete.
Ich empfand damals Scham. Die Angst, man könnte entdecken, dass ich kein Baby mehr sei beschäftigte mich und alles war mir peinlich. Ich spürte Hilflosigkeit und Traurigkeit über die Anmaßung meiner Schwestern, mich einfach so zu benützen, das war das deutlichste Grundgefühl. Es war mir übrigens auch undeutlich bewusst, unschuldig an dieser Situation zu sein.
Es gibt also Scham, Gerechtigkeitssinn und Selbstwertgefühl schon Ende des ersten Lebensjahrs, auch wenn viele Fachleute das abstreiten wollen. Ich bin Zeuge dafür. Die Frage, was kulturell erworben ist und wieviel in den Anlagen liegt, ist noch lange nicht beantwortet. Viel früher als angenommen gibt es also Ansätze von Sozialempfinden und mir kommt vor, der inneren Monolog klang damals nicht anders als jetzt! Ich nenne diesen Monolog für mich "Stimmchen" da er eben gleich tönt wie damals im Kleinkindalter. Oder "Gewissenchen", weil er "moralisch" ist. Bitte die Gänsfüßchen beachten! Was "moralisch" hier bedeutet, ist nicht von herkömmlichen Gebräuchen abgeleitet, sondern von ...eben meinem ganz persönlichen für mich natürlichen Gewissen - oder ist es allgemeingültig? Logisch wäre es, weil es sich, wie oben beschrieben, schon in der Wiege rührt.

Diese Episode hat mich entscheidend in meinem Verhältnis zu anderen Menschen geprägt. Denn für mich ist klar geworden: Alle unsere sozialen und „moralischen“ Empfindungen sind in unseren Wurzeln veranlagt und werden später erst allen möglichen Einflüssen ausgesetzt. Sie sind daher nicht wirklich zum Schweigen zu bringen. Ein Säugling ist kein unbeschriebenes Blatt sondern besitzt das Wunder der Urteilsfähigkeit !....! Eigentlich ist das doch unglaublich? Eine Sensation in der Evolution! Das Stimmchen, spricht es etwa schon im Fötus?

Eine andere Schlußfolgerung ist, dass wir uns in unserem Ursprung eben doch ähnlicher sind als wir denken, ja sogar vertraut sind wir. Wenn man irgendwo darüber liest, springt einem früher oder später das Wort "Kollektivbewusstsein" entgegen, man versteht es vielleicht nur über den Verstand, es zu fühlen ist etwas anderes. Ich glaube, erst unsere Entwicklung entfremdet uns.
Man kann bei seinem Gegenüber diesen verwandten Ursprung immer mitfühlen wenn man will. Sich daran zu erinnern erleichtert manchmal die Kommunikation mit anderen, speziell mit denen die einem besonders fremd sind.

Wenn ich einem Menschen gegenüber stehe, versuche ich immer, etwas von seiner inneren Stimme zu erlauschen. (Tun das eh die meisten Menschen so??) Jedenfalls ist dieses „Gewissenchen“ da, auch bei denen, die es unentwegt unterdrücken.....und da richte ich halt meine Hauptantenne hin......*g* ...oder was, oder wie........ hmm...

(geschrieben am 15. Mai, revidiert am 27. Mai 05)


Meine beiden älteren Schwestern und ich.




Dies ist ein Foto von meinem ersten Geburtstag:

Öhm...
wer noch zweifelte,
so bin ich!

Na jaa ich geb´s ja zu,
die Flügel sind nur halb
angewachsen...



Aber brav war ich immer schon!





Geboren wurde ich in Santiago, der Hauptstadt Chiles. Dort lebte ich dann auch bis zum zehten Lebensjahr.

Als ich drei Jahre alt war, zogen wir zum ersten Mal um. Ein netter kleiner Bungalow wurde gemietet, aber der hatte es in sich wie wir alle bald erfahren sollten. Das Anwesen war von einer hohen Mauer umgeben, klein wie ich war kam sie mir riesig vor. Besonders bewusst war mir das, als ich einmal stundenlang an ihr entlang wanderte. Mit einem Bissen verhassten Sauerkrauts im Mund, ich schluckte es so lange nicht, bis sämtlicher Geschmack überraschenderweise verschwunden war. Sauerkraut ist für mich wie die Ausgeburt der Hölle, ich kann es jetzt noch immer nicht einmal riechen.
Die Mauer war übrigens auch wirklich nötig, denn dahinter floss ein schmutziger Kanal, so einer, von dem das Wort Kanalisation abgeleitet wird. Damals wurde das Abwasser in Santiago vielerorts noch an der Oberfläche geführt und in den Armenvierteln starben viele Kinder noch vor dem zehnten Lenensjahr an Durchfallerkrankungen.

Aus gegebenem Anlass habe ich gerade eben ein Foto gefunden das mir nie so richtig aufgefallen war, es ist ja auch nur ganz winzig klein, etwa 3 Finger hoch. Mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogrammes habe ich es verbessert und nun sehe ich es selbst zum ersten Mal so richtig:



Ich war zu der Zeit die Jüngste von 3 Schwestern. Über diesem Hasenstall auf dem Foto stand eine große Trauerweide. In ihr wuchsen Unmengen von Mispeln ganz dicht und durcheinander und so konnte man faszinierenderweise durch das Gestrüpp da oben nicht hindurch sehen. Ich versuchte es immer wieder vergebens, denn von dort her kamen die Ratten des Kanals über einen Zweig bis in unseren Dachboden. Dort trippelten und trappelten sie des Nachts und machten beunruhigenden Lärm. Aber sie kamen vermutlich nie ins Haus.
Einmal, ich war früher als sonst aus der Küchentür in den Hof getreten, stand ich einer ungewöhnlich großen Ratte gegenüber. Wir erstarrten beide, und standen uns sekundenlang Aug´ in Aug´ gegenüber. Sie hatte eindeutig keine Angst vor mir kleinem Mädchen. Erst als meine Mutter aud der Türe trat war der Zauber gebrochen und die Ratte floh artistisch schnell in den Baum hinauf.
Das war aber nicht das einzige Ungeziefer in diesem Haus. Meine arme Mutter, sie stammte aus Seelow am Oderbruch, musste so gut wie jeden Tag abends Vogelspinnen aus den Betten werfen um sie dann zu erschlagen. Ob daher meine ausgeprägte Spinnenphobie kommt? Später erzählte sie, diese großen stark behaarten Spinnen seien butterweich gewesen und es ekelte sie immer noch abgrundtief. Aber es blieb ihr ja nichts anderes übrig. Sie, die so sehr von Heimweh geplagte, entwickelte aus der Not heraus ungeahnte Kräfte für ihre Kinder.


Eine Erdbebengeschichte

Damals als ich als kleines Mädchen in dem oben beschriebenen Bungalow in Santiago lebte, geschahen zwei Naturkatastrophen. Ich will jetzt von der ersten erzählen, von einem der vielen Erdbeben, natürlich kann ich nur beschreiben, wie ich es eben als Kind erlebt hatte.

Ich war in meinem Zimmer als es losging. Durch irgend etwas aufgescheucht sah ich aus dem Fenster und plötzlich, ich erinnere mich genau, wechselte das Bäumchen davor seine Stelle. Zugleich begann dieses mir schon bekannte tiefe Rumoren und ich fürchtete mich ein wenig. Nein, es war weniger Angst, vielmehr war es das Gefühl ganz hilflos zu sein. Dieses Mal aber war das Beben mächtig und dauerte sehr lange. Meine Mutter packte mich und die ganze Familie eilte zum Hauseingang.
Da man bis nach Südchile hinunter immer mit Erdbeben rechnen muss, gab es vor den Haustüren bei vielen Gebäuden eine sichere Stelle. Der Eingang wurde stabil gebaut und mit einem kleinen Betonvordach gegen hinunterfallende Gebäudeteile versehen. Dort standen wir nun ganz aufgeregt und es rüttelte unter unseren Füßen, als wenn wir in einem Zug stehen würden der gerade über eine Weiche fährt.
Es war ein Beben mit Schwingung parallel zur Ausbreitungsrichtung der Wellen, die Erde zitterte weniger als dass sie sich horizontal hin und her bewegte. Könnt ihr euch das vorstellen? Unter euren Füßen geht es so rasant hin und her, dass man meint, den Halt zu verlieren. Das einzige Sichere auf der Welt, der Boden auf dem man steht schien lebendig geworden.
Diese Bebenart ist besonders gefährlich, da Spalten aufgehen können. Mein Vater aber blödelte herum, ging ins Haus zurück und geisterte spaßhalber durch die Zimmer. "Huhuuuh huh" rief er und rumorte fast so laut wie die Erde grollte. Ich bewunderte ihn für seinen Mut aber zugleich wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass er damit aufhören möge, denn drinnen war es furchtbar gefährlich und ich spürte die Angst der Mutter.
Seltsam, wenn ich so nachdenke habe ich meinen Vater später immer nur als sehr ernsten Menschen erlebt. Vielleicht meinte er, uns Kindern damit ein wenig den Schrecken zu nehmen?

Uns und unserem Haus passierte damals nichts, aber in vielen Bezirken und besonders in den Armenvierteln gab es vermutlich unzählige eingestürzte Häuser und schlimme Tragödien. So genau weiß ich das natürlich nicht, ich war ja noch zu klein um damit belastet zu werden.

Später in der Schulzeit wurde mir bewusst gemacht, wieviel Not durch die häufigen Erdbeben entstand. Unser Handarbeitsunterricht bestand immer nur in der Aufgabe, Quadrate zu stricken die dann zu einer Decke zusammen genäht wurden. Die kam dann mit anderen Dingen die wir Kinder mitbringen sollten in Schachteln und wurde gespendet.

Übrigens, vielleicht ganz interessant, wir konnten öfters nachträglich feststellen, dass Tiere unmittelbar vor so einem Beben ganz ungewöhnlich verstummt waren. Man spürt, wenn man aufmerksam ist, dass etwas "in der Luft" liegt, und irgend jemand hatte es auch damals wieder einmal bemerkt.



Meine Schwester, Mutter und ich vor dem kleinen Häuschen.
Im Hintergrund das Zimmer in dem ich spielte als die Erde begann zu schaukeln.
Es war gerade Winter, also so etwa August.

Als ich dann viele Jahre später in Wien ein Erdbeben erlebte, war ich über meine eigene Reaktion überrascht. Ich war es, die im Studentenheim den aufgescheuchten Mitbewohnern in vollständiger Ruhe empfahl, unter dien Türstock zu gehen. Dabei hatte ich schon längst vergessen, wie sich so ein Ereignis anfühlt. Da zeigte sich wieder einmal, wie sehr die Erlebnisse der Kindheit in unserem Unbewussten eingespeichert sind.


Etwa zur Zeit meines fünften Geburtstags, wir wohnten noch im hier beschriebenen Bungalow, begann es in Santiago ungewöhnlich stark zu regnen. Die Stadt liegt nahe dem 34. südlichen Breitengrad, das entspricht auf der nördlichen Halbkugel ungefähr der Lage von Marokko. Aber das Klima ähnelt eher dem Siziliens. Im Jahr des El Niño kann allerdings alles anders sein denn das Meer erwärmt sich ungewöhnlich. Ob er tatsächlich die Ursache dafür war, dass sich die Himmelschleusen wie nie gesehen öffneten weiß ich natürlich nicht.



Santiago in den Sechzigerjahren.
Und so sieht die Stadt jetzt aus. Im Winter, wenn in den Höhen Schnee fällt erstrahlen die Anden, aber heutzutage sieht man sie wegen des Smogs leider nur noch selten.


 Überschwemmung in Santiago

Unser in einem Außenbezirk gelegenes Bungalow stand direkt an einem Kanal der am Ende der Straße in den Fluss Mapocho mündete.
Es kam wie es kommen musste, der überaus schmutzige Kanal ging über. Zunächst betraf uns das nicht, denn er floß hinter einer hohen Mauer. Jedes Grundstück entlang des Flusses war von solchen Mauern umgeben, aber irgendwie war wohl beim ersten Wasser eingedrungen und der Besitzer schlug ein Loch in die Wand zum Nachbarn um den Fluten Herr zu werden. Der nächste tat es ihm gleich und in einer Kettenreaktion kamen auch wir bald in die Lage es tun zu müssen.

Ich war gerade sehr krank, hatte Lungenentzündung und Gelbsucht zugleich. Als ich diesen Morgen erwachte, fiel mein erster Blick auf den Teppich, er lag so überraschend hoch und ich dachte ich träume. Erst allmählich begriff ich, dass er auf einer braunen Brühe schwamm und auch heute erinnere mich noch gut an mein damaliges Entsetzen!

Meine arme Mutter! Sie war gerade hochschwanger und erwartete ihr viertes Kind. Wir konnten in kein höheres Stockwerk flüchten, es war ja, wie gesagt, ein Bungalow.

Welch eine glückliche Fügung, dass mein Vater in dieser Zeit gerade nicht auf einer seiner ausgedehnten Fotoreisen war. Er war in vielen Jahren allzu oft in der Wildnis verschollen und ging seiner Leidenschaft nach, Land und Leute zu fotografieren. Über die Wüste Atacama bis in die Antarktis hatte er das ganze Land bereist.
Meine Mutter war dann alleine mit vier Kindern und oft wochenlang ohne Nachricht. Ohne Versicherung, mit wenig Geld und ganz schutzlos muss sie oft große Sorgen gehabt haben. Aber sie hatte verlässliche Freundinnen, ohne die wäre es nicht gegangen.

Wie es dann weiterging ist mir entfallen, ich weiß nur, dass ich für einen Monat zu einer sehr lieben "Tante" kam. Die "Deutsche Kolonie" hielt zusammen und man half sich gegenseitig wenn jemand in Not war.

Als dann mein Bruder geboren war und mich meine Mutter abholte, fügte ich ihr eine sehr schwere Kränkung zu. Ich wollte nicht mit und heulte, sagte ihr, die andere sei nun meine Mutti. Ich war von dieser Frau so ungemein liebevoll verwöhnt worden, hatte dort Spielkameraden in meinem Alter, aber zu Hause war es ganz anders, meine Mutter war immer sehr "abgerackert" wie sie zu sagen pflegte und spielte nie mit uns Kindern.
Damit aber kein falscher Eindruck entsteht, ich habe meine Mutter sehr geliebt.

Die schmutzigen Spuren der Überschwemmung an den Wänden des Hauses waren nicht wegzubekommen und wir sind dann sehr bald umgezogen.

Hier sieht man meinen Vater auf Feuerland im Jahr 1959:





Und so weiter.... jetzt stecke ich fest. Zu faul, hier weiterzumachen. Hmmm...

Daher vorerst nur noch dies:
Ich bin leider ein HSP. Das ist gar nicht gut für mich. Um das darf man mich nicht beneiden! Als ich endlich da drauf kam, war das immerhin ein bisschen erleichternd. Hmm... sagen wir mal so, ich habe vor zu lernen, mir durch diese Erkenntnis so manches zu verzeihen.
Ein, zugegeben, etwas mickriges Video dazu.