Ausgewählter Beitrag
Mit einem Mörder an einem Tisch.
Bei mir wird wieder gezimmert und renoviert. Sechs kleine Baustellen.
Der da zimmert ist sehr alternativ und außerdem bis in die letzte Faser Buddhist.
Er erzählte mir aufgewühlt von einer Begegnung.
Am letzten Wochenende schlenderte er mit der für ihn typischen harmonischen Entspanntheit durch unsere zwar etwas provinzielle, aber doch auch heitere und schöne Landeshauptstadt. Er hatte sein langes Haar zusammengebunden und Lotusblüten hinter die Ohren gesteckt, nun gab er sich beobachtend dem hin, was ihm so alles begegnete. Da sprach ihn so ein Typ an.
"Was bist denn du für einer!?"
Ich kann mir vorstellen, wie mein Bekannter geantwortet haben dürfte. Heiter, ehrlich und offen deklarierte er sich vermutlich einfach nur als Mensch und als einer der weiß, dass er schon tausende Mal wiedergeboren worden war.
Sie kamen ins Gespräch und setzten sich bald in ein Lokal.
Der andere verkörperte das extremste Gegenteil, das man sich überhaupt nur denken kann. Ein Söldner und in dieser Eigenschaft präsentierte er sich emotionslos bis stolz als Reihennmörder! Er habe ein Jahr Heimaturlaub, die letzten Jahre sei er im Irak gewesen und habe zeitweise täglich Menschen jeden Geschlechts und Alters erschossen und Frauen vergewaltigt. Was auch immer im Dienst so angefallen sei, er hätte es ohne mit der Wimper zu zucken getan. Es wies daraufhin, dass auch heute im Irak täglich bis zu 300 Menschen gewaltsam umkämen und kein Hahn krähe danach, er auch nicht. Er trank immer mehr, zeigte auf die Passanten und meinte aggressiv, auch denen könnte er ohne weiteres die Nase abschneiden, oder die Kehle aufschlitzen, was auch immer, diese Menschen seien ihm eh zuwider und fremder denn je, auch wenn er hier geboren worden sei.
Er hätte schon als Kind viel erlebt, sei miserabel behandelt worden, missbraucht vom Vater, geschlagen, verachtet, dann aber sei er als Söldner in die Welt gezogen und wo immer man ihn und sein mörderisches Handwerk gebraucht hätte, wäre er in eine Zeit lang geblieben. Er hätte Geld wie Heu, 8000 Euro Monatslohn im Irak! Zwischen den Worten klang aber heraus, dass ihm auch das nicht viel bedeute.
Meinem Bekannten wurde unheimlicher und unheimlicher je mehr sein Gegenüber getrunken hatte. Die kalte Ausstrahlung des Söldners ließ ihn frösteln, spürbar waren ihm die nur schlecht verborgene Aggression dieses Mannes und so nützte er bald eine Möglichkeit, zu gehen.
Natürlich hatte er einiges von seiner Lebensphilosophie rüberzubringen versucht: "Ist dir klar, dass du für das alles irgendwann einmal wirst bezahlen müssen?"
Man stelle sich diese Szene mal vor, einerseits ein sanfter in sich ruhender Mensch, der stets sein Karma behütet und der auch schon in der Kindheit jeden Regenwurm vom nassen Bürgersteig liebevoll zu Erde zurückzutragen pflegte. Der zufällig gerade von einer ihn erfüllenden buddhistischen Zeremonie gekommen war, und andererseits diese finstere Gestalt, diese Tötungsmaschine, aber legal und frei im Land. Beide an einem Tisch, in spannungsgeladenem Gespräch miteinander verstrickt.
Ich spielte für mich, nachdem ich dieser emotionsgeladenen Erzählung gelauscht hatte, in Gedanken eine Szene durch. Was wäre wohl passiert, wenn die buddhistische Feierstunde erst nach der Begegnung stattgefunden hätte und mein Bekannter den Söldner etwa dazu mitgenommen hätte?
Vielleicht wäre der innerlich implodiert. Oder real explodiert. Ich nehme an, auf keinen Fall wäre gar nichts passiert. Ich meine dies auf das Innenleben des Söldners bezogen. Jedoch denke ich nicht, dass die Buddhistengemeinschaft mit ihren Gebeten, Ritualen und Speisengaben die Lebenseinstellung des so kaputten Kerls irgendwie hätten verändern können. Dazu hat sich sein eklatantes menschliches Defizit wohl schon zu sehr in ihm manifestiert.
Aber wenn man nicht an Zufälle glaubt, hat vielleicht dieses beschriebene Treffen auch so irgend einen Sinn gehabt. Doch wer kann das wissen.
Deine Geschichte hat mich sehr nachdenklich gemacht ... kann es sein, dass der Buddhist sooo "gut" ist, dass es eigentlich auch schon wieder weltfremd ist und er daher seine Schattenseite den "Mörder" angezogen hat?
Ich denke, dass immer beides in uns ist ... und oft werden ja auch Mörder im späteren Leben noch "Heilige".
Sie tragen dann beides in sich.
Bei mir gibts leider sehr schlechte Nachrichten - Maxl ist seit 1 Woche verschwunden - völlig untypisch für ihn - ich mach mir schreckliche Sorgen.
Alles Liebe für Dich von Eva
vom 11.06.2009, 00.49