Ausgewählter Beitrag
Aschenputtel heute.
Gerade hatte ich mich im Freibad niedergelassen und mich erstmal umgesehen. Dort irgendwo im Wasser weinte ein Kind ganz inbrünstig und ich hatte schon jenen bis zu den Schultern im Wasser stehenden Vater mit dem kleinen Buben im Arm im Verdacht, wurde mir doch unlängst erzählt, da sei einer, der seinen kleinen Sohn streng ertüchtigte, statt ihm einfach nur Freude am Planschen zuzugestehen.
Aber es war dann doch ein etwa sechsjähriges Mädchen das da eben mit Schwimmreifen angetan hinter dem Baum hervorkam. Gerade dem Wasser entstiegen, schritt sie nun heulend die kleine Anhöhe hinauf der Mutter zu.
Die aber blieb mit ihrem jüngeren Sohn am Schoß ruhig sitzen, nahm seitlich ein Handtuch, wickelte es mit der linken Hand um die Hüften des Kindes und legte ihr noch ein zweites über den Kopf und hieß sie neben sich sitzen. Das Mädchen bebte mit den Schultern vor lauter weinen, es konnte sich kaum beruhigen, aber die Mutter war schon wieder mit ihren Gedanken woanders. „Zieh dich um“ hatte sie nur kurz gesagt, soviel bekam ich noch mit, „du wirst dich verkühlen“. Der um einiges jüngere Bruder hatte nur sehr kurz und teilnahmslos zur Schwester hingesehen und sich gleich wieder seinen eigenen Belangen zugewandt.
Einen Vater gab es dort auch, gleich daneben an der gelben Sitzbank stehend, aber ich hatte Mühe, ihn als solchen zu identifizieren, so emotionslos wie er sich gab, er blickte eigentlich nur teilnahmslos in die Gegend.
Es war dann der Sohn, dem er lächelnd zusah, weil der nun zu den fremden Leuten mit dem Baby hingelaufen war, um mit ihnen zu reden und auch die Mutter registrierte diese Aktivität genau und mit einem gewissen Stolz.
Das kleine Mädchen hatte inzwischen unbeholfen sein Kleidchen übergestreift, mit deprimiertem Gesichtsausdruck versuchte sie es nun umständlich mit dem Höschen, aber sie schaffte es nicht. „Mama!“ Da bekam sie es von der Mutter schnell mal umgedreht.
Etwas später machte ich mich zum Schwimmen auf, watete langsam ins Tiefe, blickte mich noch mal um und da saß sie. Regungslos auf der gelben Sitzbank knapp über dem Ufer, Einsamkeit ausstrahlend, blickte dieses wirklich noch sehr kleine Mädchen mit sehr ernstem Blick über den See und ich vermeinte zu fühlen, was sie ganz diffus zu empfinden schien: `Ich kann mein Leben auch alleine durchstehen...´
Schwimmend dann, schimpfte ich in Gedanken die Eltern. „Ihr werdet schon noch sehen was da rauskommt wenn ihr euer Kind nicht tröstet, so macht ihr sie kaputt! Es wird euch noch gereuen, falls ihr überhaupt jemals verstehen werdet, was ihr da im Alltag so alles unterlassen habt, aber vermutlich werdet ihr später, dann, wenn es längst zu spät ist, überhaupt gar nichts kapieren!“
Es hat mich tief bewegt. Als wenn mir meine eigene Kindheit vorgeführt worden wäre. Mit geliebterem jüngerem Bruder, hach, ganz gleich war es bei mir, auch ich, stets ungetröstet. Mütter lieben ihre Söhne ja oft mehr als die Töchter.
Ich hatte einen Blick auf ein Mädchen erhascht, das sich grad mit seiner Einsamkeit arrangierte, wusste von der inneren Nische in die sie zu flüchten im Begriff war und die immer mehr zur Gewohnheit werden würde, emigriert in ein inneres Nest, aus dem sie lebenslang nicht mehr entkommen würde können.
Aber vielleicht hatte ich auch überinterpretiert, wer kann das wissen, ich auf jeden Fall am wenigsten.
Viola, deine Offenheit und Ehrlichkeit frappiert mich immer wieder und ich finde sie so liebenswert, dass ich mich zusammenreißen musste, nicht etwa das verbotene "liebe Viola" an den Anfang meiner Antwort zu setzen.
Wer macht schon alles richtig. Es ist schließlich Programm in dieser Welt: Licht und Schatten.
Wir tun diese Dinge so, wie wir es "gelernt" haben. Hatten wir nie Anlass oder Gelegenheit, uns mit den Gebräuchen der eigenen Eltern, Großeltern und Urgroßeltern kritisch auseinanderzusetzen, passiert das halt so! Und welcher junge Mensch steht von Anfang an da so drüber! Manche schon, wenige, ich kenne eine. (Huhuuu! Knudddddels an jene!) Aber diejenige hatte auch was hinter sich...
So kann ich der Mutter gedanklich nur begrenzt Vorwürfe machen, sie weiß wohl nicht, was da geschieht. Sagt mein Verstand. Vom reinen Gefühl her aber, war ich schon relativ sauer. Weil ich eben Betroffene bin, mit ganzer Seele zum Kind halte. Erst seit wenigen Jahren weiß ich, was mich betrifft, nicht nur diffus und daher unaussprechlich von solchen Dingen! Ich wusste zwar, dass in meiner Kindheit und Familie vieles nicht in Ordnung war, hätte es aber teilweise so genau gar nicht benennen können, gab eher dem Vater die Schuld und vergötterte die Mutter. Die mich aber nie getröstet hatte! (Siehst?) Nu akzeptier deins, was immer es sei, als gegeben und mach dir keine Vorwürfe mehr. Jetzt kannst du sie ja darauf ansprechen, ich hoffe, es ist möglich und vermutlich hast du es eh schon getan, falls es geht... und gut ists!
Herzliche Grüße!
zu der Rezenseion zu "Sterneneis" muss ich sagen, dass sie teilweise stimmt (wie meist bei Rezensionen, ist halt alles Geschmackssache). Als unsymphatisch habe ich die Gunnur auf keinen Fall gesehen. Ich habe fast alles von der Baldursdottir gelesen und sie ist wahrscheinlich für viele nicht so einfach zu lesen (Die Eismalerin und die Farben der Insel - einfach wunderbar). Ich höre lieber auf, denn das ist ja kein Literaturblog.
Herzliche Grüße von Karin
vom 27.08.2012, 17.58