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Aus der Kindheit

Als ich 5 Jahre alt war wurde meine Mutter wieder schwanger. Nach der Überschwemmung war ihr verständlicherweise alles zu viel und so brachte sie mich bei einer Freundin unter.

Dort wurde ich sehr liebevoll behandelt, verwöhnt wie ich es nie gekannt hatte und auch mit ihren beiden Kindern verstand ich mich prächtig. Es muss wohl eine besonders schöne Zeit gewesen sein, denn als meine Mutter mich wieder abholen kam wollte ich nicht mit, weinte sehr und meinte, die andere sei jetzt meine Mutter. Damals hatte ihr eine sehr schwere Kränkung zugefügt, das tut mir heute noch leid.

Aber wie ich jetzt erzählen werde wartete auch auf mich ein schlimmes Erlebnis, auch eine schlimme Kränkung, eine Lehre die mich für mein ganzes weiteres Leben geprägt hat.

Als ich nach Hause kam war ein kleiner Bruder da. Er war endlich der lang ersehnte Sohn nach drei Mädchen. Ich als drittes Mächen war vermutlich die größte Enttäuschung....

Mich interessierte das Baby sehr. Einmal ging ich in das Zimmer in dem er schlief und entdeckte, dass er die Augen beim Schlafen nicht ganz geschlossen hatte. Ich dachte mir, so sei das nicht richtig, dürfe nicht so sein weil dann muss man ja blinzeln sonst gehe das Auge kaputt. So versuchte ich, ihm sanft die Lider zu schließen. In dem Moment kam meine Mutter herein und es gab einen riesen Aufruhr. Sie beschuldigte mich, ich hätte ihm aus Eifersucht die Augen eindrücken wollen, hörte überhaupt nicht auf meine Beteuerungen und glaubte auch später nie, dass es nicht so gewesen sei. Es war in mir mit meinen fünf Jahren ein großes Entsetzen weil man mir so etwas zutraute und mich für so böse hielt.
Da ist in mir etwas zerbrochen, das Urvertrauen in meine heile Welt. Die Unbeschwertheit im Umgang mit meiner Mutter auch, hielt sie mich doch für so etwas fähig.

Natürlich werde ich eifersüchtig gewesen sein. Aber von da an hatte ich mir dieses Gefühl endgültig verboten.
Mein Bruder wurde mir gegenüber sehr vorgezogen aber ich versuchte das nicht zu bemerken. Ich tat als wenn dieser Umstand nicht existierte. Erst als meine ältere Schwester mir im Erwachsenenalter eindringlich klar machte, dass es eines meiner entscheidenden Jugendprobleme gewesen war konnte ich gefühlsmäßig auslassen und diese Tatsache selbst eingestehen. Für das Selbstbewusstsein war es nicht gerade dienlich, wie kann man sich unter solchen Umständen selbst für liebenswert halten?

Aber ich habe mit meinem Bruder trotzdem ein gutes Verhältnis, er kann ja selbst überhaupt nichts für dies alles.



Da habe ich mein so sehr geliebtes Buchstabenkleid an auf das ich so stolz war. :-)

Nickname 23.03.2006, 02.04

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Kommentare zu diesem Beitrag

7. von Vodia

Hallo liebe Tirilli,

bin erst jetzt zum Lesen gekommen.
Bin ja selber die Älteste von drei Mädl, könnte eine Menge zum Thema Mutter und Tochter und Schwestern schreiben...
das erspare ich aber Dir und mir.

Nur eines: Du warst ein richtig goldiges Mädl und so piffig schaugst Du drein.

LG
V.

vom 25.03.2006, 00.03
6. von Karin

Es muss schon krass sein, wenn die eigene Mutter einen für so etwas beschuldigt, was obendrein überhaupt nicht zutrifft. Man stelle sich das mal vor: Einer Fünfjährigen so etwas an den Kopf zu werfen! Ich kann es mir nicht vorstellen.
Nun gut, ich hatte auch nie Geschwister, und so hätte mir diese Situation auch gar nicht begegnen können (womit ich mein Einzelkinddasein keinesfalls hochloben will - es gab genug Momente, wo ich mir sehr nahe Menschen vom selben Schlag ersehnt hätte).

vom 24.03.2006, 04.04
Antwort von Nickname:

Hallo Karin, manchmal wünscht sich jeder das was der andere hat, aber wie sehr kann man irren. Man kann nur annehmen was ist und sich denken: Alles ist gut wie es ist und hat vielleicht einen höheren Sinn. Das hilft und ist vielleicht auch wahr. Hoffentlich!
Danke für deine Besuche auf meiner Seite!
Liebe Grüße!
Tirilli

5. von christine b

danke für diese geschichte tirilli und dass wir lesen dürfen, was dich im innersten bewegt.
man schleppt wohl seine kindheitserlebnisse duch das ganze leben, sicher hat jeder sein päckchen zu tragen.
ich habe drei wunschkinder und bemühte mich immer sehr, gerecht zu sein. immer klappte es sicher auch nicht und die mittlere ist wohl heute so sehr tüchtig, weil ich für sie am wenigsten zeit hatte!
aber bei vier kindern, wie sie deine eltern hatten und unter den teils schwierigen lebensbedingungen, hat deine mama sicher öfter mal die nerven weggeworfen, wenn vielleicht auch nur innerlich und sich nicht gedacht, dass das so großen einfluß auf ein kind haben könnte.
wenn in einer großen familie nicht ständig die starke, helfende hand und des partners da ist, der einem im alltag beisteht, kann ich mir vorstellen, dass sie es sehr schwer hatte. das hätte ich nicht geschafft, wie froh war ich immer, wenn mein mann abends die rasselbande übernahm, so dass ich mal durchatmen konnte.
das konnte deine mama wahrscheinlich nicht immer und so passierte es wahrscheinlich auch, dass sie ihre kleine so sehr kränkte und es nicht bemerkte.
ich grüß dich lieb! christine b


vom 23.03.2006, 19.17
Antwort von Nickname:

Ein Danke obwohl das wenig erfreulich zu lesen ist.... ich bin staunend aber erfreut! Ich habe dir zu danken Christine!
Du hast Recht, sie war in fremdem Land allein gelassen, der Mann immer wieder monatelang im Land unterwegs, im Urwald Südchiles, Feuerland oder der Wüste und natürlich ohne Nachricht. Und das ohne irgend eine Versicherung. Nur die Freundinnen standen ihr bei, mehr als es hier im satten Europa üblich ist. Das ist in solchen Ländern in Ausländerkolonien eher üblich, ein notwendiger Reflex auf die Gefahren des Lebens. Meine Mutter konnte ihr Heimweh außerdem kaum ertragen und hasste dieses Land daher schon fast. Dadurch wurde sie krank und musste zurück. Sonst wäre ich jetzt noch dort. Aber trotzdem, bei der Geburt des Sohnes muss in ihr irgend ein Schalter umgelegt worden sein der ihr eingab, ihn ständig schützen zu müssen. Das blieb immer so und es war für die Schwestern nicht immer leicht.
Dir alles Liebe!
Tirilli

4. von Veety

Hallo Tirilli,
wahrscheinlich hat sich alles nur so tief und nachhaltig festgegraben, weil keine "vernünftige" Aussprache zwischen dir und deiner Ma gab. Gut nachzuvollziehen, dass sie um den Kleinen besorgt war ... schade nur, dass es so üble Auswirkungen hatte.
Aber ist es nicht oft so, dass erst bei viel zu spät stattfindenen Aussprachen beide "Auffassungen" geklärt werden?
Schade! Und viel zu häufig! Was das bei beiden anrichten kann ...

LG Veety

vom 23.03.2006, 15.46
Antwort von Nickname:

Hallo Veety, wie schön von dir ein Lebenszeichen zu bekommen! Danke! Geht es schon besser mit deiner Frau?
Vernünftige Aussprachen waren bei uns ein Fremdwort. So von oben nach unten gab es das nicht. Als ich als Erwachsene die Begebenheit einmal vorsichtig ansprach beharrte sie immer noch darauf, da war nichts zu machen. Sie hatte nie bemerkt, dass es für mich so entscheidend war und ich selbst eigentlich auch erst durch diesen Eintrag. Siehste, so hat so ein Blog noch zusätzlicheinen Sinn.
Ich freue mich schon auf deine Rückkehr. Möchte nicht wissen wie viele Bücher du inzwischen verschlungen hast... ;-))
Liebe Grüße,
Tirilli

3. von Eveline

Liebe Tirilli,

heute kann man sich sagen, dass deine Mutter vielleicht oder wahrscheinlich nur Angst um ihr "Kleines" hatte und ich unterstelle ihr mal, dass sie weder wusste noch beabsichtigte, was sie dir mit ihrer Reaktion antat und wie fest sich solche Erlebnisse in kleinen Kinderseelen verwurzeln und über Jahrzehnte tief verletzend sitzen und nicht weichen wollen...

Ich huggel dich ganz lieb!

vom 23.03.2006, 14.13
Antwort von Nickname:

Diese Angst blieb und hörte nie auf. Ich weiß auch nicht...
Danke liebe Eveline!

2. von Irmgard

Hallo Tirili,
ich habe mich noch ein bisschen bei dir auf dem Blog umgeschaut - finde ich echt interessant hier :) . Vor allem dass du auch Katzen liebst. Meine Lieblinge sieht man auf meinem Blog - nur ist meine schwarze Mohrle inzwischen ein Jahr alt. Und rotzfrech ;) .
Wegen deinem Thema: Ich habe auch schon oft überlegt, was zwischen mir und meiner jüngeren Schwester für ein Verhältnis ist und warum es so ist. Es gab bei mir nicht so ein einschneidendes Erlebnis wie bei dir, aber auch meine Schwester ist die Jüngste, und alles was sie tat war toll, auch wenn es der größte Mist war. Die Eltern hörten oft gar nicht richtig zu, wenn Streitereien waren, meistens aber ging es zu Gunsten meiner Schwester aus, die alles zur selben Zeit durfte (Ausgehen und so) wie ich, obwohl sie drei Jahre jünger ist. Ich habe mich mit ihr oft gestritten und auch wieder versöhnt in Kinderjahren, aber jetzt zieht sich eine schleichende Entfremdung zwischen uns nach einem heftigen Krach, die aber meiner Meinung nach in unserer Kindheit ihren Ursprung hat. Ich finde, manche Eltern wissen nicht, was sie ihren Kindern antun. Könnten es vielleicht auch nicht anders machen, auch wenn sie wollten, denn keiner kann aus seiner Haut.
Nur wegen dem Thema "Junge oder Mädchen" - da habe ich eine positive Erinnerung: Meine ältere Schwester, die die Älteste war, freute sich nach drei Brüdern sehr, als dann endlich ein Schwesterchen kam. Diese Schwester war ich. Zu ihr habe ich auch heute noch ein inniges Verhältnis :) .
Dir alles Liebe, Irmgard

vom 23.03.2006, 11.40
Antwort von Nickname:

Mit der Ursache für die Entfremdung hast du vermutlich recht. Es geht so oft so zu, ich höre das immer wieder. Schrecklich was wir Menschen uns immer wieder antun und wir merken es oft gar nicht!
Vielen Dank für deinen Kommentar und Besuch!
Herzliche Grüße!
Tirilli

1. von Netty

Ach, liebe Tirilli das kenne ich nur zu gut. Ich möchte gar nicht meine Episoden aufschreiben, die ich als 5. Kind meiner Mutter erlebte. Ich bin heute noch davon überzeugt, dass ab dem 2. Kind meine Mutter wohl nie Kinder wollte, aber leider gabs ja zu dieser Zeit noch keine Pille, ich glaube aber auch, dass sie die wohl nie genommen hätte, denn ihr war irgendwie alles egal. Ich weiß aber auch, dass meine Mutter von ihrer Mutter erzogen wurde und ich kannte meine Oma schließlich auch noch 11 Jahre. Sie war eine sehr herzlose Person, wie sollte denn da ein herzliches Wesen erzogen werden. Ich versuche zu verzeihen und zu vergessen, leider gelingt mir das nur schwer, aber ich weiß,dass ich bei meiner Erziehung meiner Kinder den Kreislauf unterbrach und das absichtlich, denn ich merkte schnell, dass ich anfing die gleichen Fehler zu machen. Erschwert kam bei mir hinzu, dass ich nicht fähig war mein erstes Kind zu lieben, das kam erst viel später, als das Schicksal zuschlug und mir fast mein Kind nahm, erst da gab es in meinem Herzen einen Stoß und ich lernte sie zu lieben. Postnatale Depression nennt man sowas. Ich habe nie vergessen, was ich meinem Kind damit antat und mache mir schreckliche Vorwürfe. Als sie 20 war sprach ich mit ihr über mein damaliges Problem, wir gingen essen und ich konnte zum ersten mal darüber wirklich weinen. Ich habe sie um Verzeihung gebeten und sie war sehr verständnisvoll. Leider habe ich mit meiner Krankheit damals eines erreicht, sie möchte niemals Kinder haben. Das tut mir sehr leid, denn ich möchte auch Enkelkinder haben.
Vielleicht hat es Deine Mutter nur nie geschafft darüber zu sprechen. Immerhin hat man schließlich auch viel mehr im Leben hingenommen als heute. Früher funktionierte man eben und hatte keine Forderungen ans Leben zu stellen. Das war eben die Zeit. Wie oft wurden wir im Leben von Menschen enttäuscht, aber alles was in unserer Kindheit war hat uns nun mal geprägt, je äler man wird um so weniger Gedanken macht man sich über Kränkungen von anderen Menschen, man gewöhnt sich eben daran.
Versuche zu vergessen und zu verzeihen, auch wenn es schwer fällt, aber nur so kannst Du auch Deinen frieden finden, Deine Mutter damit auch.

Sei lieb gedrückt von mir .

vom 23.03.2006, 08.13
Antwort von Nickname:

Liebe Netty, ich drück dich ganz fest.
Ich habe meine Mutter sehr geliebt, sie war im Grunde kein harter Mensch, wenn auch eher kühl. Neben all den anderen Dingen war sie ein guter Mensch.
Das Schicksal wollte es, dass genau ich dann die Tochter war, die ihr während ihrer schweren letztendlich tödlichen Krankheit mit aller Kraft beigestanden hat.
Liebe Grüße!
Tirilli