Gestern musste ich notgedrungen mein Elternhaus aufsuchen. Wegen acht schwerer Jahre mit den nacheinander sehr schwer kranken Eltern habe ich einen inneren Widerstand, dorthin zu gehen.
Außerdem war es einmal der geliebteste Ort. Inzwischen habe ich diese Liebe bewusst abgetötet um nicht mehr daran zu hängen.
Mit Beklemmung betrat ich das fast leere Haus um es zu lüften. Es stinkt dort, weil das Wasser vollkommen ausgelassen worden war um im Winter nicht heizen zu müssen. Die Abgase aus dem Kanal können so ungehindert bei Tiefdruck in den Wohnbereich aufsteigen und das schreckt eventuelle Kaufinteressenten natürlich sehr ab.
Gestern stank es aber nur wenig.
Sehr bald stellte ich überrascht fest, dass ich unbefangener durch das Haus gehen konnte als in den letzten Jahren. Die schwere Zeit mit ihrem dunklem Leid schien ferner, ich dachte nicht mehr nur daran, wie die Kranken dort über lange Zeit gelitten hatten und nicht mehr an die tiefe Finsternis die mein Vater dann als Witwer ausstrahlte.
Schließlich ging ich durch mein altes Zimmer im oberen Stock auf den Balkon und verweilte lange um die schöne so vertraute Aussicht in mich einzusaugen.
Ich erinnerte mich, dass ich einst jeden Tag unbewusst zum See geblickt hatte um seine Farbe zu sehen. Sie ist immer anders, hier sieht man die Schönwetterfarbe des Sommers wenn der Himmel wirklich wolkenlos ist und kein Wind weht.
Einige Zeit später legte ich mich auf mein altes Bett in dem später mein Vater als tief bedrückter Witwer genächtigt hatte. Aber sein Geist war nicht mehr da, sonst hätte ich es auch gar nicht vermocht. Da lag ich nun und ließ sehr alte Zeiten aufleben. Ich war wieder um die 14, rief die Stimmen, wie sie damals von unten rauf schallten in Erinnerung und hörte fast tatsächlich meine Mutter mit anderen schwätzen. Genau wie damals und es war wieder da, wie ich mich fühlte. Nicht sehr gut, pubertär halt....
Und dann musste ich ein bisschen weinen. Aber wirklich nur ganz ein bisschen.
Gestern war es seit genau 10 Jahren das erste Mal, dass ich mir meine Mutter vor ihrer späteren Krebserkrankung vorstellen konnte.
Es war ein sehr wertvolles Erlebnis.
Hallo Tirilli,
weisst jetzt gar nicht so genau, was ich Dir tippseln soll.....einfach...weil es mir ähnlich ergeht. Beide Eltern gestorben...Mutter zuerst...15 Jahre daheim gepflegt weil Alzheimer krank....Vater an Krebs gestorben...
Deine liebevolle Erzälung weckt auch meine Erinnerungen und Gedanken. Mein Elterhaus steht auch seid Jahren leer....mein Kinderzimmer betrete ich heute noch nicht, den Rest nur sehr ungern....
Ich hatte einfach eine schöne Kindheit dort.....dass mag und kann ich nicht so einfach loslösen....
Huggels unbekannterweise
vom 05.07.2007, 22.23
Danke für deinen Kommentar liebe Leidensgenossin Namu. Ich hoffe, auch du findest mal die Unbefangenheit zurück, ich wünsche es dir!
Liebe Grüße!