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Jetzt verreiß ich mal, und wie!

In unserem Theater wurde die neue Produktion "Amerika" von Bernd Liepold-Mosser (auch Regie) nach einer Erzählung von Franz Kafka uraufgeführt.

Unsere Gazetten waren voll des Lobes, vom Höhepunkt der Saison wurde da geschrieben. Da kann ich nicht mit, da muss ich dagegen schreiben!

Meine Kritik darf subjektiv sein, im Gegensatz zu den Zeitungsredakteuren, die zumindest bei uns stets etwas vorsichtiger agieren.

Ich fand es so schrecklich, dass ich nach der Vorstellung richtig missgelaunt war.

Zugegeben, die Schauspieler waren großartig und auch die Sache mit dem phantasievollem Vorhangwechsel nach jeder Szene hatte was für sich. Den gab es so circa alle 10 Minuten, die Szenen waren nur kurz, wie Mosaiksteinchen von denen man hofft, sich am Ende zu einem vollständigen Bild zu fügen. Fast jedes Mal öffnete sich die jeweils neue Szene auf andere Weise, sehr originell, aber so gut wie immer mit denselben quietschenden Geräuschen und die klangen so, als würde ein Schiffsrumpf am Dock anschremmen.

Was mich so störte:

Da hat einer, genauer gesagt, Bernd Liepold-Mosser, das Konzept der statischen Szene durchgezogen, sehr an den Brecht-Stil der 60ger und 70ger erinnernd, nur halt ohne revolutionärem Hintergrund. Aber damit fehlt der Kern dieses Stils, in meinen Augen verdeutlicht er nicht, sondern begrenzt und macht dadurch wenig betroffen.

Das Konzept des Regisseurs, oft mal Symbolik über wahren menschlichen Ausdruck zu stellen, war der Intensität des Stückes in meinen Augen eher abträglich. Da saß einer im Rollstuhl, obwohl er gar nicht behindert war. Wozu denn, etwa um innere Unfähigkeiten zu symbolisieren? Und als er dann überraschend aufstand, deklamierte er nicht etwa in Richtung seines Gesprächspartners, sondern ganz woanders hin. Auf mich wirkte das so, als würde der Regisseur dem Schauspieler gar nicht zutrauen, Beziehungsarmut mittels echter Körpersprache rüber zu bringen. Im nächsten Szenchen saß dann der jungendliche Neffe in besagtem Rollstuhl, draufgesetzt... nein, "aufgesetzt"! Mit der Faust aufs Auge weil man dem Publikum wenig zutraut, eine klassische Kunstsünde ist das in meinen Augen! Auf mich wirkte vieles unecht, da konnten sich die teils genialen Schauspieler noch so mühen, gekünstelte Anweisungen der Regie nahmen Herzblut heraus.

Nun gut, das kann man als meine subjektive Wahrnehmung abtun und es mag zugegebenerweise Leute geben, die solches Szenario sogar goutieren.

Was mir aber am bittersten aufstößt, ist der von der Band "Naked Lunch" hergestellte musikalische Teil der Inszenierung. ("Komponiert" kann man da wirklich nicht sagen.) Tiefstes musikalisches Niveau dort, wo man eigentlich einen Kunsttempel unserer Provinz vermuten würde! Da ist ja "Musikantenstadl" noch hundertmal wertvoller, auch wenn diese Mickey Mouse-Musik mir wirklich nicht gerade zusagt.
Keinerlei musikalische Höhepunkte gab es da, ein Einheitsbrei von immer gleichen Klängen und Akkorden, in typischer Manier unserer Popularmusik, wie vom Automaten erstellt, tja, solche Software gibt es ja tatsächlich! Und Stimme, nein, die haben die Sänger von "Naked Lunch" überhaupt nicht. Irgendwann fing ich an, zu zählen, wie viele Töne in den breiigen Melodien überhaupt vorkommen, ich kam dann mal auf fünf....

Und dann zum Schluß der Schock, das Publikum jubelte der Band zu! Weil die bekannt sind, oder was? Ja sind denn alle taub???

Zurück zu den Lobeshymnen in unseren Provinzzeitungen, ein Rezensent schrieb sinngemäß: Zum Schluss ging der Hauptdarsteller einfach weg, man kann rätseln wohin, sich das so oder so denken...
Besagter Kulturredakteur hatte nicht einmal bemerkt, dass die letzte Szene im Himmel spielte, inmitten von wenig lieblichen schwarzen Engeln..! Das sagt doch so einiges über Inszenierung und Rezensenten aus, oder? 

So, jetzt habe ich ordentlich verrissen und nun ist mir etwas leichter!

Nickname 30.03.2011, 02.51

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von vonferdl

hörst halt heute um 17.05 Uhr Ö1.
vielleicht verstehst Du dann den künstler besser. ;-)
"Kärnten künstlerisch bewältigen" - Bernd Liepold-Mosser, der Autor und Regisseur des Stücks "Kafkas Amerika" im Porträt. Gestaltung: Barbara Kaufmann

vom 02.04.2011, 13.27
1. von vonferdl

jo, so sans, die kunsttempel der provinz. aber das klagenfurter publikum ist eben dankbar.

vom 30.03.2011, 09.31