Ausgewählter Beitrag

Leistungsdenken und Gier

Gestern rief mich die Mutter einer Schülerin an. Sie wollte wissen ob ihr Kind bei der Prüfung wirklich ein "Nicht genügend" bekommen hat. Die Tochter sei bedrückt nach Hause gekommen, meinte, sie hätte furchtbar schlecht gespielt und sei überhaupt fertig gewesen. Ich war von den Socken wie man so schön sagt! Da rede ich mir den Mund fusselig wie unbedeutend die Prüfung ist, lobe und kämpfe gegen das reine Leistungsdenken an und dann das. Natürlich hat das Kind einen Einser, die Mutter konnte es kaum glauben. Dabei versuchte ich ständig, bei diesem Kind den zu großen Ehrgeiz etwas zu bremsen. Klingt komisch wenn das eine Lehrerin sagt, aber gegenzusteuern ist manchmal auch nötig.

Während des Gesprächs wurde mir dann klar wie es zu dem Irrtum kommen konnte. Der Beisitzerin der Prüfung hatte ich so nebenbei gesagt, die Schülerin hätte das Stück im Konzert besser gespielt. Es fehlte das "noch"! "Noch besser" hätte ich sagen sollen. Im Kopf hatte ich, der Kollegin anzudeuten, dass die Schülerin gut sei und kleine Fehler nur der Nervosität zuzuschreiben seien. Diese Kollegin ist nämlich sehr genau, aber sie ist zugleich nett und sanft. Was ich meinte kam für das 11-jährige Kind leider ganz falsch rüber.

Das ist wieder einmal ein Symtom für mich, um wie viel mehr die Schüler dieser Generation vom reinen Leistungsdenken geprägt werden als es noch bei uns der Fall war. Gesellschaftliche und politische Tendenzen übertragen sich schneller auf die Kinder als man wahrhaben will. Ich will da nicht mitmachen, aber als Lehrerin werde ich logischerweise schon von vornherein in die Ecke des leistungsorientierten Menschen gedrängt.

Was soll aus einer Generation werden, die ihren Wert nur im Funktionieren findet? Der Berufsalltag ist härter geworden, die Auslese nimmt immer dramatischere Ausmaße an, eine Zweiklassengesellschaft droht, die der Funktionierenden und der sogenannten Versager. (Lest mal da was für Sätze einem Unternehmer auf seiner Webseite "passiert" sind!) Das ist krankmachend!  All das geschieht unter dem Deckmäntelchen der Rezession. In Wahrheit steckt der Zwang zu weiterem Wirschaftswachstum dahinter. "Ich will alles und das sofort" hieß es in einer widerwärtigen Werbung, es werden Bedürfnisse erfunden um die Gier weiter anzukurbeln und die Reichen noch reicher zu machen.

Geschundene Umwelt, arme Kids, das System wächst in sie hinein und sie merken es vielleicht erst, wenn es für ihr Glück schon zu spät ist.

Nickname 03.06.2006, 15.32

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Eveline

Hach, wo haben wir nur die Zeitnehmung vom Verein her....
Theoretisch egal, ob's in der Webseite steht oder nicht: wie viele haben (mindestens) diese (Hinter)Gedanken...?

Leistungsdenken:
Akademiker kriegen die Jobs von zB HAK-Abgängern mit Matura, HAK-Abgänger kriegen die Jobs von HAS-Abgängern, HAS-Abgängern bleiben die, die früher mal die Hauptschüler hatten und die Hauptschüler müssen sich schon sehr gut sein, wenn sie überhaupt einen Job kriegen wollen....
Ist so und wird nicht besser werden wut
Als Elternteil bleibt dir da gar nix anderes übrig, als (einen gewissen) Druck zu machen....

Aber Musik sollte vor allem Spaß machen und keinen Stress, denn nur dann ist sie wirklich gut (meine ich), Herz tut da viel mehr als Verstand...
Oder...?

Huggels*** :)

vom 03.06.2006, 17.11