Ausgewählter Beitrag

Sich selbst verwirklichende Prophezeiung

Eine typische Episode aus dem Alltag:

Die Kinder sollten zwei Gruppen bilden. Aus gruppendynamischen-, aber auch aus Leistungsgründen teilte ich nicht selbst ein, sondern wählte zwei Schüler, die immer abwechselnd einen Mitschüler zu sich riefen.

Bei solchen Szenen kann man vieles beobachten.

Diesmal blieb mein heimlicher Blick bei Katja* haften. Man sah in ihrem Mienenspiel deutlich, wie sie erwartete, als letzte ausgewählt zu werden. Ihr Blick verfinsterte sich und sie blickte unglücklich zum Boden.

Was dadurch geschah, ist klar: sie wurde tatsächlich als letzte ausgewählt.

Natürlich hatte ich das nicht so stehen lassen wollen. Eine Woche drauf, nach der nächsten Stunde, sprach ich unter vier Augen mit dem übrigens 9 Jahre alten Mädchen, um ihr diese Reaktionsautomatik bewusst zu machen. Sie hat, glaube ich, verstanden. Sie hätte damals unmittelbar vorher großen Ärger in der Schule gehabt, erzählte sie dann noch, deswegen sei sie so gewesen. Ich fragte nicht nach, das wäre zu weit gegangen. Aber gut! Es wurde ihr etwas bewusst! Übrigens bemerkte ich, dass sie wirklich viel besser drauf war als in der Woche davor.

Solche Begebenheiten verunsichern, passieren sie häufiger, lassen sie das Selbstbild in den Keller purzeln und es verfestigen sich Verhaltensweisen die später im Leben nicht gerade hilfreich sind. Was bedeutet: Auch noch so kleine Erlebnisse in der Kindheit können das ganze Leben beeinflussen.

*Name geändert

Nickname 11.02.2011, 00.06

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Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Veety

Hm, mal gehörte ich (im Sport) zu den "Frühgewählten", mal zum Rattenschwanz - kam ganz auf die Sportart an. Beleidigt war ich nur selten. Warum sollte ich auch? Es gab eben auch die "erste Auswahl".

Bei einigen Mitschülern sah das anders aus. Aber mal ehrlich, wer möchte in "seiner" Mannschaft schon jemanden, von dem man genau weiß, dass er/sie eine absolute Niete ist?!

Im Bereich Musik und meinem Gitarrenunterricht habe ich mich sehr gut an Anforderunbg, Erwartung, Gefühle, Ansporn, Lust & Frust erinnert. Und so gehörte auch beim Gruppenunterricht dazu, dass "schwache" Schüler/innen die Gelegenheit erhielten, sich "so richtig" einzubinden, sprich, das zeigen konnten/sollten, was wirklich in ihnen steckte.

So entstanden zum Teil schöne (Über-) Stunden, wenn sie aus sich rauskamen, vor allem, wenn sie merkten, dass die "besseren" durchaus die Leistung anerkannten und sich ebenfalls mit einbrachten - was als Effekt wiederum eine gesteigerte Spiel- & Experimentierfreude ergab. Automatisch ergaben sich so "good vibrations".

Ja, mir haben die Stunden mit meinen Schülern meistens Spaß gemacht - besonders dann, wenn sie sich so weit entwickelt hatten, dass sie mich, ihren Lehrer, anspornen konnten.

Danke für die Erinnerung, liebe Tirilli.


vom 16.02.2011, 20.11
4. von Liesel

Liebe Tirilli,
ch finde es gut, dass du manchmal solche Möglichkeiten wählst. Gerade im Sport sind oft die anderen gut, als im normalen Unterricht und fühlen sich so auch anerkannt.
@Sinta Hier erleben auch mal Schüler Frust, die ansonsten auf der Erfolgswelle leben. Vielleicht bringt sie das zum Denken, wie es denen geht, die immer hintendran sind. Auch denke ich, dass solche negativen Erfahrungen einen weiter bringen, sie auch später zu ertragen. Sie dürfen nur nicht zu viel sein.
Das ist das Entscheidende: Kinder, die nur negative Erfahrungen machen, müssen geschützt werden.
Ansonsten kann man auch die Kinder sich mal in so eine Situation hinein versetzen lassen. Das wichtigste ist doch, dass wir einander verstehen lernen und dementsprechend handeln.
Noch eine Möglichkeit, die du Tirilli sicher nutzt, die nicht so Beliebten dürfen wählen.
Ganz toll finde ich, dass du mit dem Mädchen gesprochen hast. Ob sie etwas gelernt hat? Wichtiger ist, sie hat gemerkt, meine Lehrerin interessiert sich für mich.
Herzliche Grüße
Liesel

vom 14.02.2011, 09.02
3. von Viola

Ich war auch immer die zuletzt Gewählte, zumindest im Sport.
Wenn ich zurückdenke, bin ich es in der Tat auch immer selbst Schuld gewesen. Aber ich fürchte, ich muss Sinta sehr widersprechen, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich mich zwar gern unsichtbar gemacht, aber nicht weil es mir peinlich war, sondern weil mich Ballspiele immer angek...haben. Volleyball, Handball, Fussball...diese ganzen Spiele mit unkontrollierbarem zwangsläufigem Körperkontakt, Geschubse, Gefoule und Zerrereien und Tretereien waren mir als Kind und noch als Halbwüchsige zuwider - oft habe ich sogar deswegen Sport geschwänzt oder hab mich einfach abgesetzt wenn es darum ging.
Ich war zwar gut bis sehr gut beim Laufen, Sprinten und Springen, da wollte niemand neben mir Laufen, aber Ball...nee, das ging garnicht, ich hab mich blöd und taub gestellt und deswegen wollte mich niemand - mir hat das überhaupt nichts ausgemacht. Nur beim Brennball - da war ich gut..so richtig, denn da ging es nur um werfen und Laufen - da war ich der Geheimfavorit, zwar nicht beim Werfen aber beim Umrunden des Spielfeldes...
Aber ich denke, hier ging es nicht um eine sportliche Übung - gut zu wissen, dass es noch den ein oder anderen Lehrer gibt, der solche Situationen nicht auf sich beruhen lässt, sondern wirklich interessiert daran ist, den Kindern etwas für "Später" mit auf den Weg zu geben.
Meine Lehrerin hätte sich vermutlich gewundert, wenn Ihr daran gelegen hätte, was mich bewegt, mich so zu verhalten - nun, ich habe heute eine grosse Aversion gegen Gedrängel, und Menschen, die mir zu dicht auf die Pelle rücken, oder gar Fremde, die mich berühren *grusel* - diese erzwungenen Ballspiele haben das nicht gerade besser gemacht.

vom 13.02.2011, 19.40
2. von Quizzy

Genau wegen dieses Auswahlverfahrens, das du beschreibst, war mir während meiner Schulzeit der Sportunterricht verhasst. Dabei war ich eine gute und beliebte Schülerin, nur halt im Sport eine Niete. Und wenn dann die Mitschülerinnen ihre Teamkollegen beim Volleyball aussuchen sollten, blieb ich bis zum Schluss auf der Bank sitzen - es war einfach schrecklich.

Später hab ich dann eine Lehrerin dafür geliebt, dass sie ganz einfach die Mannschaften durch die Farben der Shirts bestimmt hat. Wer etwas Rotes anhatte, war in Mannschaft A, die Blauen oder Schwarzen in B, das war einfach genial!

Ich find's schade, dass diese Methode heute immer noch praktiziert wird. Und ich glaub auch nicht, dass die Schülerin aus der Situation etwas gelernt hat, sondern ich denke, es war ihr eher peinlich, nochmal drauf angesprochen zu werden.

Liebe Grüße
Renate

vom 13.02.2011, 12.51
Antwort von Nickname:

Hallo Sinta und Quizzy!

Eure Kritik ist berechtigt.

Es kommt aber auf die Faktoren an:

-> Homogenität der Gruppe ( nicht auf das Alter bezogen, diese sind zw. 7 und 12)
-> Gruppendynamik (ich machs nur, wenn die Gruppe harmonisch ist und auch dann höchstens 2x im Jahr)
-> Stil des Lehrers (freundschaftlich aber nicht fraternisierend, stets das Positive bestärkend)

Warum ich es trotz der Problematik manchmal mache?
Nach der Devise: Im geschützten Rahmen für das Leben lernen.

Quizzy, Gruppen immer so einzuteilen ist typisch Turnlehrer. Sie wollen damit die Gruppen ca. gleich stark haben. Daran, wie es manchen damit geht, denken sie leider gar nicht. Sport ist ja kultivierter Kampf, da spielen Befindlichkeitsgedanken wohl kaum eine Rolle. 
Was das Gespräch mit dem Mädchen betrifft: Kommt doch auch drauf an, wie der Lehrer so ist. Ich bin mir sicher, so wie es lief, war es für sie nicht unangenehm.(Schüler mehr reden lassen)
Das mit "rot" mache ich auch. Es gibt vielfältige Einteilungsmöglichkeiten. Alle nützen, nur ja nicht immer gleich!

Übrigens, da ich 5 Min. zu früh fertig wurde und 2 gerade eben noch besonders für ihr rhythmisches Talent gelobt worden waren und darüber staunten, machten wir noch eine Runde, wo jeder von seinen Stärken erzählen sollte. Nicht nur "Schulstärken" auch menschliche.... Ich fing an um von dem rein schulischen auch ein bisschen wegzuweisen. (Ich kann mit Tieren, besonders Katzen, kann gut am Compi, ... kann hm... mit Kindern...? Jaa, riefen einige.. :-) *freu* Wie immer in so einem Fall, wussten ein paar keine Stärken. "Du hast sie!! Ganz sicher!!" Sie werden vermutlich nachdenken. Eines kam nach dem Abschied zurück und raunte mir doch noch eine Stärke ins Ohr. Berührend... schööön...
Liebe Grüße!


1. von Sinta

Bei solchen Auswahlverfahren wird es immer einen Letzten geben und es wird nie einer sein, dem es nichts ausmacht.

vom 13.02.2011, 08.59