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Von der Überschwemmung

Am Freitag reiste nach der Arbeit meine Nichte an. Sie war gekommen um ganz früh am nächsten Tag nach Slowenien weiterzufahren um ihre 15-jährige Tochter samt deren drei Freundinnen aus dem Land zu holen. Die Mädels waren im Zeltlager der Pfadfinder im nördlichen Hinterland, direkt dort, wo die nun alles mitreißende Save aus einem See entspringt. Meine Großnichte fieberte und hatte Halsweh. Kein Wunder, im Lager war inzwischen alles nass, auch die Schlafsäcke. Festen Raum gab es dort vorm dunklen Wald keinen, gekocht wurde im errichteten Hauptzelt, aber das Brennholz war auch inzwischen nass geworden. Ungefähr 200 Liter Regen pro Quadratmeter waren binnen 24 Stunden gefallen und es hatte auch die Tage davor durchgehend geschüttet! 200 Liter! Das ist so wie eine Badewanne voll Wasser auf jedem Quadratmeter. Zusätzlich die starken Gewitter. Das Lager ist nahe des für seine Blitzhäufigkeit bekannten Berges Triglav. 

Aber die Lagerleiter brachen nicht ab. Sie sind mit dem Rest an Jugendlichen immer noch dort. Das sei typisch für Pfadfinder, die seien so, erklärte mir kopfschüttelnd meine Nichte. Sogar wenn Kinder fiebern!

Nach Slowenien zu kommen war schwierig. Sämtliche Pässe waren wegen Muren unpassierbar und auch die Autobahn im Osten war gesperrt. Zusätzlich wusste man, es würde das Wochenende mit dem ärgsten Verkehr in Richtung Süden geben! Man konnte nicht damit rechnen, dass die Leute die schließlich teuer gebucht hatten, die Reise abbrechen. Die einzige Möglichkeit war der Karawankentunnel. Auch wenn danach, etwas weiter südlich, die Straßen gesperrt waren, die Touristen drückten heran.

Meine Nichte und ich hatten schlecht geschlafen. Schon wieder mehrmals die Feuerwehrsirene, seit Tagen übrigens, an manchen Tagen hatten die Feuerwehrleute die ganze Nacht durchgearbeitet. Um fünf ging sie wieder, diesmal passte es, da wollte meine Nichte losfahren. Sie schaffte es mit nur kurzem Stau durch den Tunnel und dann in das abgelegene Tal.

Meine Sorge waren die Hangrutschungen. In meiner Phantasie sah ich sie schon mittendrin. Aber alles ging gut. 
Sie erzählte dann, dass sie eher ein mulmiges Gefühl bei den Brücken  über die Save gehabt hatte. Inzwischen sind sie gut in Salzburg angekommen. Ich bin so dankbar!

Die Feuerwehr legte einen Schlauch zum Ableiten des Wassers in meiner Gasse.



Rechts vom Bild, der Nachbar berichtete von eindringendem Grundwasser im Keller. Es drückt durch die Wände und den Boden. Links die Hecke ist schon meine. 
Jetzt muss ich kurz erzählen, dass mein Haus ungefähr 140 Jahre alt ist und nur auf der Abhangseite drei untere Räume hat. Heizraum, Tankraum und.. ächz Spinnenwohnstätte. Von der Straße aus gesehen wäre das sowas wie ein Keller. Aber da dann ein steiler Hang ist, sind die Räume doch ober der Erdkante. Unter dem Parkett bei dreiviertel des Hauses ist... ERDE! Erde und Ameisennester! Sonst fast nirgends etwas anderes. Bisschen Porozell im Vorraum ist da, wegen des Schwamms der sich dort vor Jahrzehnten dick und aufdringlich ausgebreitet hatte. 

Das Haus steht nun also ohne Fundament auf der völlig durchweichten Erde. In die Spinnenwohn... ächz... stätte sah ich kurz rein. Alles nass. In den Heizraum konnte ich nicht sehen, da die Stahltür sich gesenkt hat und man nur mithilfe einer stabilen Schaufel mittels Hebelwirkung die Tür anhebt und dann öffnet. Das geht nur zu zweit.
So hause ich also. Aber mein Haus ist ein Stil-Haus. "Wörtherseestil" nennt man das. Mit geschnitzten Holzleisten und Säulen.
Ich fürchte(te) mich sehr, dass das Haus ins Rutschen kommen könnte. Im Fernsehen sah man dramatische Hangrutschungen in meiner Nähe. 

Jetzt darf es bitte nicht mehr regnen!!! 



Der See ist übergegangen. Das gab es im Sommer noch nie! und auch sonst erlebte ich das in 40 Jahren nur einmal.

So sieht es hier aus.

Der See hat sich jetzt um das Klagenfurter Strandbad herum ausgebreitet. Dort ist auch der Campingplatz. Arme Touristen!

Nickname 07.08.2023, 01.31

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Kommentare zu diesem Beitrag

7. von Tirilli

Danke Mädels! Ihr seid so nett! Es gibt keine neuen Probleme! Morgen könnte es teilweise regnen, hoffentlich nicht. Mir geht es bestens im Vergleich zu den vielen Opfern des Desasters. Das Wasser wird nur sehr langsam abfließen. Der Grundwasserspiegel wird wohl noch Wochen zu hoch bleiben. Wie sollte sich so ein großer See schnell entleeren? Meine Nichte sagte, die Pfadfinder seien eben anders. Nein, sie helfen nicht, sie sind mit 5 verbliebenen Jugendlichen im Lager verblieben. :nachdenk:

vom 08.08.2023, 23.33
6. von Kathy

Ich weiß nicht @Bärenmami, gerade als Pfadfinder muss man doch die Situation in der Natur am besten einschätzen können sollen. Und nicht einen auf harte Kerle machen ... Ich hoffe mit dir, das sie tatsächlich nicht ihr Ding durchgezogen haben.

vom 08.08.2023, 22.52
5. von Bärenmami

@Kathy
Da kommt es sehr auf die Gruppenleiter und vielleicht sogar auf das Land an.
Und ich habe die vage Hoffnung, daß sie nicht „ihr Ding“ durchgezogen haben, sondern ihre guten Taten des Jahres in Form von Katastrophenhilfe abgearbeitet haben.
@Tirilli
Beruhigt sich die Lage allmählich?

vom 08.08.2023, 20.33
4. von Kathy

... und diese Pfadfinder! ... denen sollte man mal die Leviten lesen. Die überschätzen sich gewaltig selbst. Wo bleibt denn da die Verantwortung für Schutzbefohlene? *kopfschüttel* :wut:

vom 08.08.2023, 20.25
3. von Bärenmami

Liebe Tirilli,
Ich war gestern zu geschockt, um gleich zu schreiben, es gibt Situationen, da bleiben die Worte weg. Solche Angst um die Familie haben zu müssen, und dann noch die unendliche Hilflosigkeit vor den Naturgewalten, denen man mit das Haut und Haus ausgeliefert ist.
In Gedanken bin ich bei Dir.

vom 08.08.2023, 05.46
2. von Regina

Das sind ganz schreckliche Berichte, Videos und Fotos von den Überschwemmungen. Hoffentlich hört der Regen in diesen Gebieten jetzt endlich auf! Die armen Menschen, aber auch für die Helfer ist das eine sehr gefährliche und kräfteraubende Situation.
Kathys Idee mit dem "Survival" Rucksack finde ich super.

Was du, liebe Tirilli, über dein Haus erzählst klingt sehr schlimm. :-( Ich drücke dir ganz fest die Daumen, dass es sich keinen Millimeter bewegt und ganz schnell die Sonne wieder kommt, um alles zu trockenen. Wobei die allein wird wohl nicht genug sein, möglicherweise brauchst du ein Trockengerät?

Wenigstens ist es beruhigend, dass mit der Heimholung alles gut geklappt hat und deine Nichte und Großnichte wieder zu Hause in Sicherheit sind. Das ist eine Sorge weniger.

Liebe Tirilli, ich wünsche dir alles erdenklich Gute, meine Gedanken sind bei dir und meine Daumen bleiben weiterhin ganz fest gedrückt!

vom 08.08.2023, 02.24
1. von Kathy

:-(
Beängstigend das alles, fürchterlich. Ich kann so sehr nachfühlen wie's dir geht, ach (((Tirilli))).
Ich hab Zeiten durch, da habe ich den Fluß, nur 100 m Luftlinie von mir entfernt, Tag und Nacht im Auge gehabt, um schnellsten im Falle einer Evakuierung das Haus verlassen zu können. Wir waren abgeschnitten, weil wir seine Brücken nicht mehr passieren konnten. Eine Brücke war weggerissen. Zu meinem Glück ( leider nicht für andere Nachbarn :-( ) stoppte das Hochwasser immer 3 Häuser vor meinem. Aber riesige Risse in der Kellerbodenplatte zeugen noch davon, wie sehr sich damals alles bewegt hat. Das ist auch der Grund warum für jedes Familien Mitglied ein "Survival" Rucksack bereitsteht, für den Fall aller Fälle, den ich leider seit Orkan Lothar viel zu oft erlebt habe.
Ich drücke ganz fest die Daumen, dass es endlich einen vernünftigen Wetterumschwung in Richtung Sonne gibt. Das scheint wohl das Einzige zu sein, dass deinem Haus und damit dir hilft. Hast du einen Notfallplan parat im Fall aller Fälle?
((((( Tirilli ))))) ich schicke gute Gedanken, fühl dich ganz dolle gedrückt.



vom 07.08.2023, 11.42