Ausgewählter Beitrag

Ketzerisches

"Große Töchter, große Söhne" stand in Balkenlettern auf der Titelseite unseres Provinzblattes zu lesen als die ersten österreichischen Sportler Goldmedaillen für sich und ihre Sponsorfirma errungen hatten. Ich schreibe bewusst nicht "für Österreich" denn was hat der Staat davon? Ja, ich weiß, das "Wir sind wir"-Gefühl wird gekitzelt und die stellvertretende Stärkung des Selbstbewusstseins macht froh. Dafür hat der brave Steuerzahler auch genug Sportförderung mitfinanziert.

Ich weiß, ich bin jetzt Spielverderber. Aber als ich den oben erwähnten Jubelschrei las erwachte in mir das alte Unverständnis. Warum sollen ein paar Zentimeter Vorsprung einen Menschen größer machen als zum Beispiel den Vierten der Wertung? Für mich sind alle in den Spitzenrängen gleichermaßen Artisten. Und ihre Nationalität ist mir nicht so wichtig wie der individuelle Mensch. Ketzerisch ich weiß. Mit meiner Einstellung gäbe es gar keine olympischen Spiele.

Aber, liebes Luposinchen, das jetzt für dich: Ich habe gar nichts gegen die Freude der Amateure an solchen Wettbewerben! Das ist eine ganz andere Geschichte! Ganz besonders wenn Zuschauer selbst auch diesem Hobby frönen und selbst Rennen fahren! Dann verstehe ich das gut! Ich würde mich bei euch auch an den Rand stellen und lautstark anfeuern! :-)

Mich interessiert aber beim Hochleistungssport anderes mehr:
Was treibt einen Menschen dazu sich bis zur Selbstzerstörung zu kasteien? Die Dopingsünden sind für mich nur das letzte Symptom für die Absurdität des ganzen. Ich möchte nicht wissen wie viele zu schädlichen Substanzen greifen würden wenn es erlaubt wäre. Für kurze Berühmtheit und langen Reichtum lässt man sich von der Industrie einkaufen. Es wird der eigene Bewegungsapparat mit selbst auferlegter Schwerstarbeit  bis zur Invalidität abgenützt und bis zur Selbstaufgabe alles nur Erdenkliche unternommen um endlich zu siegen.

Warum! Nur um sich, den Eltern und Freunden etwas zu beweisen und um sich vom Durchschnittsmenschen abzuheben?

Einer der es sich ganz in dieser Scheinwelt heimisch gemacht hatte drehte durch und landete in der Psychiatrie. Er war der Anlass für diesen Beitrag und ich sage zum Schluß noch etwas Ketzerisches: Dieser blinde Gefangene des Establishments tut mir sogar leid, auch wenn er Täter war.



Sind das Menschen die von unserer kalten Leistungsgesellschaft vor sich selbst hergetrieben werden?

Ich lasse mich von euch aber gerne eines Besseren belehren, deswegen ordnete ich diesen Beitrag in "oder doch nicht?" ein....

Nickname 21.02.2006, 17.05

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Kommentare zu diesem Beitrag

6. von Anne

Wenn ich die Antworten alle lese muss ich einfach lachen..sorry...da geht`s plötzlich um Spermien,um den Strassenverkehr,um das Tierreich,um wirtschaftliche Wettbewerbe usw.usw.Die Vergleiche sind für mich einfach nicht annehmbar!
Wettbewerbe hin und her.Sie sind nicht vergleichbar mit den geschäftlichen,wirtschaftlichen Dingen...dies sind ausschließlich körperliche selbstgewollte Quälereien.Und wer sich dem Druck unterwirft im sportlichen Bereich,der ist selber schuld...so meine Meinung
Ich brauche keine Trophäe...ich brauche am Ende nicht die kaputten Knochen um mir dann später tatternd meine Pokale im Regal zu betrachten.
Ich mag Sport...aber er sollte meines Erachtens einen anderen Rahmen haben.


LG Anne

vom 22.02.2006, 18.44
Antwort von Nickname:

Liebe Anne, danke für deinen Kommentar! Ich denke ja auch wie du, allerdings hatte ich mich damals in meiner Ausbildung auch auf den Wahnsinn eingelassen und davon auch sehr  profitiert. (Habe im letzten Jahr meist sieben Stunden am Tag geübt.) Vielleicht ist es Sache der Jugend für sich zu entscheiden welcher Weg richtig ist, vielleicht braucht es diese Erfahrungen um sich später vom Leistungsdenken distanzieren zu können...
5. von Kehrtraud

An die Söhne und Töchter werden natürlich dann auch Erwartungen gestellt. Was machst du, wenn du das Gefühl hast, du kannst die Erwartungen nicht erfüllen? Ich denke, diese Sportler stehen unter einem immensen Druck. Es ist nicht so sehr ihr eigener Ehrgeiz, sondern der Druck der Trainer und der Öffentlichkeit.
@ Lupo:
Das Leben besteht nicht aus Wettbewerb! Das ist uns nur aufgepfropft. Es ist auch überhaupt nicht sinnvoll. Nimm nur den Straßenverkehr: Was soll da der WEttkampf jeder gegen jeden, um ein paar Sekunden schneller als der andere zu sein? Wir wollen doch alle an unser Ziel. Du bekommst überhaupt nichts dafür, schneller zu sein, aber das Leben ist dadurch schwerer und gefährlicher. Im Übrigen gibt es im Tierreich sehr wohl Kooperation. Da frisst nicht nur der Stärkere - im Gegenteil , der passt auf, damit die Schwächeren in Ruhe fressen können. Die Gnus wissen genau, dass der Löwe keine Chance hat, wenn sie zusammenstehen. Der Löwe wird niemals das Rudel angreifen. Der wartet bis ein Tier krank oder schwach hinterher humpelt und den krallt er sich.

viele Grüße
gertraud

vom 22.02.2006, 10.17
Antwort von Nickname:

Danke liebe Gertraud. Es gibt ja beides in der Natur. Wir aber haben den Geist und können abwägen.
4. von Lupo

Liebe Tirilli,

ich sehe diese Thematik etwas anders, weil Wettbewerbe wie Wasser zum Leben gehören. Tiere machen einen Wettkampf um die Gunst des Weibleins zu erhalten. Viele kämpfen ums Futter - der Stärkste frisst.

Spermien machen ein Rennen zum Ei. Der Schnellste gewinnt.

Bereits in der Schule hat der Beste besondere Vorteile. Täglich werden wir mit Wettbewerben aus den Bereichen Kunst und Sport konfrontiert. Es gibt Musikwettbewerbe, Architekturwettbewerbe, Redewettbewerbe und natürlich Sportwettbewerbe (uvm).

Nur wer sich mit anderen misst, kann seine eigenen Schwächen und Stärken kennenlernen.

Auch im wirtschaftlichen Bereich stehen wir tagtäglich im Wettbewerb. Jeder Konsument kauft das beste Produkt. Jede Bewerbung ist ein Wetkkampf um eine Position. Je früher wir das üben, desto leichter werden wir diese Problematik bewältigen. Und so ist Sport ein spielerischer Zugang, um im Wettbewerb bestehen und auch manchmal verlieren zu können.

Für Österreich ist der Schisport aber schon ein wichtiger Motor für Industrie und Fremdenverkehr. Es ist anerkannt, dass wir in Österreich die besten Schilehrer haben. Es werden das schon einige tausend Arbeitsplätze sein, die dadurch gesichert werden können. Dadurch ist meiner Meinung nach die Sportförderung schon gerechtfertigt. Ähnlich ist es mit der Kunst- und Denkmalförderung in Österreich.

Zum Thema Doping möcht ich nur eines sagen: wenn sich ein paar wenige dopen ist nicht der ganze Sport schlecht, es ist eher die Ausnahme. Es wird aber im täglichen (Leben) Wettbewerb sicher tausende geben, die sich täglich dopen (Nikotin, Alkohol, Tabletten u.a.m). Wenn aber ein Sportler ein normales Grippemedikament einnimmt kann er bereits bei Dopingkontrollen durchfallen und es wird in der Presse wie ein Verbrechen behandelt.

Und wahrscheinlich wird die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen - oder doch nicht?

Liebe Grüße aus Tirol!









vom 21.02.2006, 22.30
Antwort von Nickname:

Lieber Lupo, vielen Dank für deinen ausgiebigen Kommentar!
Genau das wünschte ich mir, eine ganz andere Sichtweise und Wahrheit, weil die mich zu neuen Sichtweisen anregen kann. Und dafür schrieb ich auch den Beitrag über den Leistungssport.
Deine Sichtweise und meine... beide sind wahr. Der Unterschied liegt daran wo wir das Thema gerade abholen.  Du bist wie einer der am Berg steht, überblickst die Mechanismen und beachtest wie sich alles fügt. Ich stehe neben einem Getriebenen (siehe Wettbewerbe) und reagiere darauf.
Aus dieser Erfahrung heraus sah ich mehr auf das Innenleben des Leistungssportlers und überlegte warum er "freiwillig" die krankmachende Tretmühle wählt. Dieses "freiwillig" kann eben relativ sein, kann von Zwängen bestimmt sein die bis in die Kindheit rühren. Oder auch nicht. Wie gesagt, die selbstzerstörerische Form des Sports war mein Thema.

"die besten Schilehrer"

Jetzt fantasiere ich mal: Nehmen wir an, der Staat steckte mehr Geld in den Breitensport. Schilifte würden billiger werden, Rodelbahnen gebaut, mehr Joggingstrecken errichtet, Mountainbikewege, Schwimmbecken und und und. Das würde in Prospekten natürlich sofort vermarktet und dort sehen Touristen zuerst hin.
Sportförderung und Kunstförderung.. mir kommt vor, je mehr ersteres zum geliebten Kind wird um so mehr nagt am zweiteres am Hungertuch.

"Dopingsünder die Ausnahme" ich bin einfach nicht so sicher, bist du da nicht ein wenig zu optimistisch?
lg. Tirilli

3. von Eveline

Hey, ich hab euch ganz Olympia noch nicht mit Ergebnislisten gelangweilt :D *sfg*
Doch, ich schaue schon gerne, wenn ich grad Zeit hab, und ich drück auch ganz fest Däumchen ;)
Und ja, freuen, wenn unsere Leitln gewinnen, tu ich mich auch :)
Aber nur bei Schi Alpin, weil mir das persönlich was gibt, nordisch oder Biathlon interessieren mich Null...
Und der Benni ist doch so ein Netter, und der Schöni so ein nett Verrückter und der Hermann imponiert mir gewaltig, wie er es nach dem Unfall wieder "nach oben" geschafft hat... (hach, und wie schade, dass Stef nicht mehr fährt.... :()

Üüüüüch???? Rennen fahren????
Nur eines ;) und das (fast) gezwungenermaßen ;)und mehr wegen der Gaudi ;)
Aber wir könnten ausmachen, dass du bei der nächsten Vereinsmeisterschaft am Pistenrand stehst und anfeuerst - das würde meine Chancen enorm steigern :D
Natürlich mit einem mit Bierschnaps gefülltem Flachmann in der Hand - und wehe, es ist nix mehr drin, bis ich bei dir ankomme :D ;)

Die Doping-Geschichte k... mich auch ganz schön an, da hab ich auch nicht das geringste Verständnis...
Für einen kurzen Ruhm (und ehrlich, über die meisten wird doch nächstes Jahr eh schon nicht mehr gesprochen...) seinen Körper kaputtmachen? Neeeee...

Wenn man nach oben will muss man trainieren, ich weiß einige, die als Kinder (auch von den Eltern) richtig "verheizt" wurden und sie haben dann oft für den Rest ihres Lebens die Lust am z.B. Schifahren verloren...

Viele machen es aber auch gerne, Dennis hat zB immer gerne Volleyball gespielt und das wurde mit den Jahren auch zum "Leistungssport" mit sehr viel Aufwand... (nicht nur für ihn, wenn ich dran denke, was wir in ganz Ö rumgefahren sind.... - ah, aber immerhin war ich durch's Volleyball schon mal in Klagenfurt :) )
Als er dann länger krank war und sich danach nicht mehr "reinstressen" wollte war das zwar schade, aber was soll's - jetzt spielt er wieder hobbymäßig und das ist auch ok.

Ich glaub, um's "beweisen" geht's nicht so, das ist eher der eigene persönliche Ehrgeiz und wenn man vorne ist, wird man noch ehrgeiziger und will nach ganz vorn etc....
Oder man hat einen "persönlichen" Konkurrenten, dem man's "zeigen will" ;)

Ich nehme mal an, mit dem "Durchgedrehten" meinst du Mayer, oder?
Wir hätten auch den Kopf über soviel Blödheit geschüttelt, wenn er nicht gerade der Trainer gewesen wäre, oder?
So bescheuert muss man(n) erst mal sein.....
Aber nun "allen" Böses nachzusagen, bloß weil vielleicht einer was verbrochen hat? Wo kommen wir denn da hin......?!?!!!

Und zwischendurch hab ich die Meldung vom Herrn vonferdl da rechts auch gelesen und nehme die Empfehlung persönlich - hoffentlich wird bald Sommer :D

Huggels von der, die gestern ein paar mal sehr hoch von der Couch gehüpft ist :D
... und Busserl von der, die jetzt ohne ihr Noti ist - es ging auf die Reise.... :(

vom 21.02.2006, 19.03
Antwort von Nickname:

Früher schaute ich auch, aber nur bei Olympiaden. Oder wenn ich mich vor Arbeit drücken wollte *g* Da ich nun keinen der Sportler kenne fällt das Persönliche halt ganz weg.
2. von vonferdl

ha - tirillein wie sie leibt und l(b)ebt!! nur der pfrnak ist etwas zu groß geraten, aber sonst ist dir das konterfei wie aus dem gesicht geschnitten!!!

vom 21.02.2006, 18.18
Antwort von Nickname:

tsä! Wiedermal saumäßig frech der Vonferdl. Er will wohl nächstes Mal in einem unaufgeräumten Haus logieren?? 
1. von Renate

Liebe Tirilli,
für mich war Sport immer ein Graus und ich konnte nie nachvollziehen, wie sich jemand selbst so kasteien mag, nur um irgendwann mal auf dem Siegertrepperl zu stehen.
Wenn ich aber in das glückliche Gesicht einer Anni Friesinger schau, die sich über ihre Bronze-Medaille genauso wie über den Sieg ihrer niederländischen Freundin freut, dann freue ich mich, dass es noch junge Menschen gibt, die enthusiastisch sind und Ziele haben.
Nein, ich verschließe die Augen nicht vor dem Leistungsdruck, dem sich diese Sportler unterwerfen, aber sie sind alle erwachsen und müssen wissen, was sie ihrem Körper antun können und was nicht.
Ein weiterer Aspekt ist in meinen Augen der Teamgedanke, der uns im Sport vorgelebt wird. Die Sportler, die ich kenne, sind liebenswerte Menschen, die das "wir" vor das "ich" stellen.
Liebe Grüße von der olympiabegeisterten - und das nicht nur, weil "wir" im Medaillenspiegel vorne liegen! ;) -
Renate

vom 21.02.2006, 17.16
Antwort von Nickname:

Hiuer spricht eine körperlich Faule! :-/ Ehrlich gesagt, ich wünschte, ich könnte diese erste Phase der Überwindung durchstehen. Alle sagen mir dass es dann besser wird. Vielleicht schaffe ich diesen Frühling doch meinen Vorsatz und sportle wenigstens ein bisschen. Insofern sind die Sportler schon Vorbild.