Ausgewählter Beitrag

Kurzer Nachtrag

Heute hatte ich einfach keine Zeit zu bloggen. Dabei hätte ich gerne noch etwas über diesen außergewöhnlichen Buben, den ich im vorigen Beitrag vorgestellt hatte, geschrieben. Über die Gefahren denen ein Wunderkind so ausgesetzt ist zum Beispiel. Insbesondere durch die Umwelt.
Und auch darüber:
Dieser Bub kann nach zwei Jahren Gitarre spielen mehr, als so gut wie jeder normale Musikstundent am Ende des Studiums. Jetzt ist er elf, wie kann das weitergehen? Vermutlich hat er technisch in wenigen Jahren den Plafond erreicht. Irgendwann ist es vielleicht ausgereizt, was dann? Er spielt mit der musikalischen Reife eines Fünfzigjährigen, hier zum Beispiel. Was macht er, wenn er 50 ist?
Ich hoffe, er hat keinen Bruch. Und ich hoffe, er kann seine Jugend wie jedes Kind genießen!

Nickname 19.04.2008, 01.35

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Kommentare zu diesem Beitrag

6. von Veety

zu Kommentar/Antwort #1

Wir meinen das gleiche, liebe Tirilli, nur dass ich es vielleicht etwas nüchterner sehe ... oder auch nicht *zwinker*

Sungha Jung, 11 (g), Igor Falecki, 6 (dr), um nur zwei zu nennen, gehören definitiv zu der Sorte, aus denen das Instrument spricht. Naturtalent, oder was auch immer.
Unglaubliche Auffassungsgabe, gefühlsstark, ausdrucksvoll, und _trotz_ aller Vorbilder (z.B. Sungha: Bögershausen, McKee ...) die zu erkennende eigene Persönlichkeit im Spiel; bei den Vergleichen zwischen Original und Ss Version fällt mir das immer wieder auf.

Am 3.5. spielt auf der Bühne gegenüber "T.MushroOom". Vier Jungs zwischen 19-20, die ich seit 2004 "verfolge". Bereits damals war ich völlig erschlagen vom Bassisten und Schlagzeuger. Unglaubliche Dynamik, Präzision und Ausdrucksstärke (Funk Rock).
2007 errang der Drummer bei der Musikmesse den 3. Platz der europäischen Nachwuchsschlagzeuger. Seitdem stehen sie u.a. n Kontakt mit der legendären amerikanischen Soul/Funk Band "Tower of Power", die es seit über 30 Jahren gibt.

Vielleicht ist David an den Drums nicht so ein Überflieger wie Sungha an der Gitarre, aber ein außerordentliches Talent ist er allemal.

Und genau da ist der auch von dir erwähnte Unterschied. Es geht eben nicht nur um streng Erlerntes, nicht nur um die Vervollkommnung der Spieltechnik. Musik MACHEN, so _richtig_ mit Herz und Seele, dazu gehört neben allen Lernerfahrungen eine ganze Menge natürliche Begabung. Ist das nicht vorhanden, kann man immer noch in einem Ensemble spielen, aber _sich selbst_ zu spielen, das ist nur denen vorbehalten, die "ganz besonders" sind.

(Siehst du ... wir kommen doch immer auf einen gemeinsamen Nenner ... *gg*)

Und bei den Erwachsenen ... hör mal Ulli Bögershausen, Andy McKee, Tommy Emmanuel ... *schmelzedi dahin*

Schönen Sonntag noch
LG Veety

vom 20.04.2008, 15.13
Antwort von Nickname:

Danke für deinen interessanten Kommentar Vety! Und für all die anderen auch gleich!
Jetzt habe ich endlich Zeit gehabt, mir den Igor Falecki anzuhören. Das ist ja wirklich ein Überflieger, wie du das nennst. Sagenhaft.
Was es alles gibt... Danke!
5. von Eveline

Veety, toller "Service" danke schön! ;)
:nachdenk: Jetzt wo du's sagst...
Richtige Haus- oder Volksmusik ist auch etwas sehr Schönes, wogegen mich das, was heute als "Volksmusik" deklariert wird, eher zum Davonlaufen inspiriert...

Auch dir liebe Grüße, danke, du hast mich wieder zum Nachdenken gebracht ;)
Eveline

PS: ist die Nachtoile eigentlich schon auf? :clown:

vom 19.04.2008, 12.22
4. von Veety

@ Eveline

"Jeder" bezieht sich auf jene, die zumindest zur Mittelschicht gehören - und möglichst in der Stadt wohnen.
Bei den den Geringverdienern und Landbewohnern sieht es anders aus (insb. Korea, Japan, China).

So weit weg ist das aber bei uns nicht. Das ehemalige _Bürgertum_ des 18. und 19. Jahrhunderts legte Wert auf musikalische Ausbildung zumindestens eines Kindes, vornehmlich Klavier oder Geige. Es war Usus, dass ein gesellschaftlicher Abend mit Musik, möglichst durch ein Familienmitglied, statt fand.

In den ländlichen Gebieten gehörte Hausmusik noch lange zur Normalität, vor allem im bayerischen Raum (die _tatsächliche_ Volksmusik, nicht das, was man "volkstümliche Musik" nennt). Mit Abnahme der Kinderzahl (und anderen gesellschaftlichen Entwicklungen) im 20. Jhdt. nahm diese kulturelle Spielart rapide ab.

LG Veety

vom 19.04.2008, 11.29
3. von Eveline

Wenn Veety dich so hervorragend ergänzt, können wir nächstes Mal ja wieder länger telefonieren :D

Im Sport war es mir klar, aber dass es musikalisch so weit geht, dass sozusagen "jeder" ein Instrument spielt, das war mir völlig unbekannt.
(Vielleicht aber auch nur deswegen, weil es mir persönlich im Sport mehr auffällt als in der Musik)
Danke für die Aufklärung Veety, sehr interessant!

vom 19.04.2008, 09.56
2. von katinka

Liebe Tirilli, Sie beschäftigt dieses Thema doch sehr, mich auch ....und es ist ein Thema , das Bücher füllen könnte.
Ich kann keine Antwort auf die von Ihnen gestellten Fragen um die musikalische Hochbegabung des „kleinen“ Sungha Jung geben, dafür weiß ich zu wenig über seine Vita.
Aber ich weiß, erkannte Hochbegabung, egal auf welchem Gebiet, ist ein Hochseilakt für Eltern und Kind, um dem betroffenen Kind eine -„seine“, ihm eigene Kindheit zu bewahren.
Denn es wird eine andere Kindheit sein, als man es sich so typisch vorstellt. Aber wenn das betroffene Kind seine Fähigkeiten entfalten darf – empfindet es das nicht so. Es wird seinen eigenes soziales Umfeld aufbauen und kann damit besser umgehen als die Eltern.
:-)
Das größte Glück, das beide Seiten in so einem Fall haben können, ist eine aufmerksame, geschulte Erzieherin oder Lehrerin, die mit den durch Hochbegabung immer einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten als Unterforderung zu deuten weiss, und sich dann auch für die Förderung des Kindes einsetzt. Leider ist Deutschland diesbezüglich ein Entwicklungsland,
:wut:
in der Ausbildung der Erzieherinnen, genauso wie in der Annerkennung des Faktes „ Hochbegabung ist nicht nur ein Wunschdenken von Eltern, sondern Realität“ als solchen.
Ich bin mir sicher, wenn diese Kinder zwanglos ihren Weg gehen dürfen, (wie halt jedes andere Kind auch) werden sie neue Beschäftigungsfelder finden, die ihr Leben berreichern, ich wünsche es Sungha !


vom 19.04.2008, 03.16
Antwort von Nickname:

Danke Katinka!
Wenn mich was beschäftigt, grabe ich immer ein bisschen. Um dann kurz vor dem Fertiggraben aufzuhören. Ich höre immer ein bisschen zu früh auf, als wenn ich ein Kleckerchen am Teller lassen müsste. *g*
Immer wieder sieht man, dass hochbegabte Kinder in anderen Bereichen kompliziert sind. Der Hochbegabte im abstrakten Denken den ich unterrichte ist zum Beispiel extrem introvertiert. Er hat das Glück, Eltern zu haben, denen seine glückliche Jugend mehr am Herzen liegt als die Leistung. So ist der Bub nicht nur schön entspannt, er ruht in sich. Sein Gitarrespiel ist überdurchschnittlich. und er spielt natürlich auch auswendig. Nicht, weil ich ihn dazu anleitete, nein, weil er will. Als er vor einer Woche ein Flamenco mittleren Schwierigkeitsgrads spielte, wurde es im Saal ganz still, so viel Präsenz hat er. (12 Jhre alt)
Allerdings im Vergleich zu Sungha ist er noch lange wie ein Anfänger.
Du hast, uups, Sie haben das gut beschrieben, liebe Katinka,  ;o) Danke nochmal!
Liebe Grüße!
Tirilli
1. von Veety

Wunderkind? Es gibt keine Wunderkinder, sondern nur welche mit Talent *zwinker*

In Korea und anderen asiatischen Staaten sieht Kindheit und Jugend völlig anders aus als hier, was Musik-, Sport- und Allgemeinschulunterricht gleichermaßen angeht. Der Druck ist wesentlich höher als bei uns; sei es der schulische, als auch der gesellschaftliche Druck/Zwang.

Ab der Mittelschicht gehört die Ausbildung an einem Instrument zur Normalität, nicht selten ab dem Alter von 3 Jahren. Halbwegs liquide Lebensumstände vorausgesetzt.

Was bei der Populärmusik nicht so bekannt ist, weil die meisten Erscheinungen auf den asiatischen Markt beschränkt sind, ist bei der Klassik anders. Sehr oft sind es Asiaten, sehr junge Asiaten, die bei Wettbewerben als Beste abschließen, oder einen hohen Anteil der Besten stellen.
Der Wert der musikalischen (aber auch sportlichen) Ausbildung hat dort einen wesentlich höheren Platz als hier.

Die meisten Instrumentalisten erreichen irgendwann ihren Zenit. Die einen eher, die anderen später, und das auf verschiedenen Niveaus.
Ausschlaggebend ist, ob die Zufriedenheit des Musikers erfüllt ist. Schlecht ist es, wenn es keine "geborenen" Komponisten sind. Selbst schreibende Musiker entwickeln sich durch die Kompositionen weiter, unabhängig davon, ob die technische Virtuosität dabei besser wird oder nicht.
Birelli Lagrene ist so ein Fall. Bereits mit 14 war er in der Band seiner Familie der führende Gitarrist (so genannter "Zigeuner-Jazz"). Nach über dreißig Jahren pflegt er immer noch seine Liebe zu Django Reinhardt, sein Spiel ist runder geworden, aber technisch verbessert hat er sich seitdem nur unwesentlich.

Wichtig ist, ob er/sie mit sich zufrieden ist. Selbst komponierend, oder fremde Werke mit einem eigenen Arrangement für sich neu zu entdecken (Man vergleiche hierzu auch bei Sungha die Fingerstyle/Tapping Version des klassichen "Canon").

Die Herausforderung liegt - glücklicherweise - nicht nur bei fortschreitender Präzision, sondern vor allem in der Fähigkeit, sich selbst mit dem Instrument auszudrücken.

Und, wer weiß, vielleicht ist Sungha mit 50 auf dem Trip "back to the roots" und spielt koreanische Folklore ... auf SEINE ganz besondere und eigene Art und Weise.

UFF ... genug geklugscheißert
LG Veety

vom 19.04.2008, 01.57
Antwort von Nickname:

Danke Veety! 

Zwischen Sungha und anderen Begabten sind Welten, finde ich. Ich habe viel damit zu tun, natürlich nur in der Provinz, aber doch. Zum Beispiel war ich einige Mal in der Jury bei Wettbewerben.
Es gibt einen großen Unterschied: die meisten jungen Talente "arbeiten" beim Spielen. Ich meine, man merkt, wie schwer es (erarbeitet) ist. Ist doch ganz normal. Sungha spielt und spielt und spielt. Als hätte er 100 Jahre nichts anderes gemacht und dabei sind es nur 2! Er hat den gewissen Zauber den nur wenige haben. Er hat den Swing, die Ideen, das perfekte Rhythmusgefühl und alles andere was dazu gehört steht in Einheit.
Er ist ausdrucksvoller als so mancher Großer. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wenn man nach ihm andere hört, empfinde ich das noch mehr. Wenn das kein Wunderkind ist, welches dann!
Danke für deinen interessanten Kommentar!
Liebe Grüße!