Die meisten Musiklehrer in den Allgemeinschulen spielen in ihrem Unterricht ein Musikstück vor und verknüpfen es dann mit Lerninhalten. Ein logischer Vorgang, wie sollte man den Stoff auch sonst vermitteln.
Aber! Das ganze hat einen Haken! Dem Schüler wird die historische Musik auf diese Weise nur zu leicht madig gemacht. Man erreicht oft das Gegenteil, diese Musik findet dann sogar über Jahre erst recht kein Interesse. Diese Vermeidung ist die Konsequenz einer unverzeihlichen Sünde gegenüber Musik, ja gegenüber der Kunst an sich: Ihre Reduzierung auf kopflastige Inhalte.
Musik ist zuerst Vergnügen, Lebenshilfe, ja sogar Überlebensmittel und das muss der Musiklehrer vermitteln!
In der Ausbildung zum Musiker wird sie schon manchmal zum Folterwerkzeug, immer wenn man beim Üben nicht recht weiter kommt, wird sie subjektiv gehörter Missklang, an dem man sich nur zu oft reibt. Sie ist für den Studierenden oft Kampfobjekt und geliebte Leidenschaft in einem.
Aber wenn man sie später vermittelt, darf nur noch das Herz sprechen und wenn man dann aus Enthusiasmus zeigen will, was sich darin verbirgt, muss man es mit echter Begeisterung tun.
Ich löse das Problem im Musiktheorieunterricht so: Zuerst sollen die Schüler nur entspannt
genießen. Ich verwende absichtlich nicht das Wort "zuhören", denn das ist eventuell schon wieder negativ belastet. "Wer will kann auch wegtäumen, tut was euch gefällt, nur macht bitte nichts anderes" so sage ich dann. Und was ist die Folge dieses Satzes? SIE HÖREN ZU! Ob mit Verstand oder mit der Seele baumelnd spielt da keine Rolle. Manche machen sogar plötzlich die Augen zu, alle sind regungslos.
So war es auch heute. Nun danach, weil es doch interessant ist, das Stück noch einmal, mit irgend einer Aufgabenstellung. Das Lust- und Wohlgefühl hatten sie schon, jetzt kann man nicht mehr viel kaputt machen.
Heute gab es die Aufgabenstellung, zu dirigieren, die
Hemiole heraushören und die Kadenz im
Ostinatobaß mitzudenken oder, wer wollte, mitzusummen.
Nach jedem Stück waren die Schüler am Wort. Sie durften nun durch Punktevergabe ausdrücken, wie es ihnen gefallen habe. (Nur wer wollte, Zwang finde ich in so einem Fall ungeeignet!) 0 - 10 Punkte waren zu vergeben.
Das Ergebnis war mir Freude und Belohnung!
Nr.
2* Joh. Seb. Bach, Aria aus der Suite Nr. 3: 6 bis 8 Punkte
Nr.
13* A. Marcello, Presto aus d. Conc. f. Oboe: 8 bis 12 (!) Punkte
Nr.
15* Joh. Pachelbel, Canon: 8 bis 10 Punkte
Die etwa 20 Schüler waren zwischen 13 und 18 Jahre alt, die Mehrzahl etwa 16.
Man stelle sich das mal vor, da sitzen Burschen mit Piercing, gestylter Frisur, coolem Outfit und vergeben an barocke Musik hohe Sympathiepunkte! Ja, ich gebe zu, es sind Musikschüler, aber trotzdem! Nicht alle spielen klassische Musik (auch Schlagzeuger, jazzelnde Saxophonisten dabei) und nicht alle üben wirklich viel.
* Reinhören bei genau der gleichen
CD die auch die Schüler hörten.
Hey, toller Unterricht bei dir! Schade dass es so viele gibt, die Musik so unleidenschaftlich vermitteln... gibst du auch außerhalb der Schule Musikunterricht?
vom 02.03.2007, 21.13