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Über die Rache


Die gelungene Rache des Angehörigen oder Opfers hilft nicht, die Dunkelheit aus dem Herzen zu verscheuchen. Ganz im Gegenteil nun hat er einen zweiten Schrecken mit sich herumzuschleppen, den seiner eigenen Tat.

Warum sagt CeKaDo in einem Kommentar unten, der Gegner der Todesstrafe würde nicht an die Angehörigen denken? Das ist eine Schlussfolgerung die ich so nicht akzeptieren kann. Ich halte das für einen Trugschluss. Das eine schließt das andere doch nicht aus, lieber geschätzter CeKaDo! Ich habe schon auch mal versucht, mich in die Qual des Angehörigen hineinzudenken.

Beispiel Marc Dutroux. Mir fällt kein schlimmeres menschliches Ungeheuer ein, zumindest unter den Lebenden. Ja natürlich, noch die Terroristen wie Bin Laden oder Sarkawi, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich ertappte mich damals, als die Berichterstattung über seine Gräueltaten  alle Gazetten füllten, bei sehr bösen Gedanken, Rachegefühle, wünschte ihm die schlimmsten Qualen in seiner Haft, die schlimmer sein sollten als der Tod. Dann wurde mir bewusst, wie er auch mich auf diesem Weg beschmutzt und verfinstert. Diese Macht über mich wollte ich ihm nicht „gönnen“ und ich hatte mir selbst diese negativen Gedanken verbeten.

Ich habe Verständnis für die Rachegefühle der Angehörigen und tiefes Mitleid mit ihnen wenn ich von ihrer Pein lese. Und es ist mir klar, dass der Täter ihr Leben für alle Zeit schwer beeinträchtigt hat. Auch durch die negativen Rachegedanken die er ihnen als Folgewirkung aufzwang. Genau deswegen schrieb ich auch diesen Absatz da unten, unter dem Zitat von Mahatma Ghandi. Und genau deswegen begann ich dieses Thema mit dem Zitat von Leo Tolstoi.

Einzige Lösung für die Opfer scheint es zu sein, im Glauben Trost zu finden, mehr Hilfe gibt es leider nicht.

Ich würde mich über kontroversielle Meinungen und Diskussionsbeiträge freuen.
 

  

Nickname 03.03.2005, 11.59

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Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Viola

Nun, es ist theoretisch möglich, sich hineinzudenken in : Was wäre wenn!
Aber ich mag es nicht! Ich denke, ich kann nicht sagen Ich bin gegen die Todesstrafe, gegen Gewalt, gegen Rache, ohne mich festzulegen!
Ich bestimme, dann somit doch im vorhinein meine Reaktion vor!
In diesem speziellen Fall, um den es hier geht, um wirklich riesiges Leid des (der) Betroffenen will ich das nicht tun! Weil es unmöglich für mich ist, das vorauszusagen!
Weisst du, die Opfer sollen verzeihen, sollen schauen, was der Täter alles durchgemacht und erlitten hat, welch schrecklich Kindheit etc.!
Vielleicht hätte ich diesen Grossmut, vielleicht auch nicht....
Fakt ist, auch das Opfer ist ein Mensch!! Wo hatte der Täter seinen Grossmut versteckt?



vom 04.03.2005, 21.43
4. von Bärenmami

@ Viola:
Verzeihen heißt nicht: vergessen und noch weniger: gutheißen.
Es heißt: täglich an sich arbeiten um neu Frieden schließen zu können, mit sich und anderen. Die Reihenfolge ist beabsichtigt. Erst mit sich..dann erst kann man sich nach außen und an die Konflikte mit den anderen wagen.
Klingt komisch, aber wir können/müssen uns unsere Rachegefühle genauso verzeihen, denn sie sind eine natürliche und verständliche Reaktion. Damit nehmen wir sie an, ohne sie auszuleben.
Für mich ist Verzeihen keine einmalige Aktion, eher ein andauernder Prozeß.

@CaKaDo
Ausgegangen ist die Diskussion von der Konstellation Recht auf Rache vs Recht auf Reue.

Gewaltlosigkeit im Rahmen einer gewalttätigen Aktion sieht ein wenig anders aus.

Sicher ist leider, daß ich mich nicht wehren könnte, jedenfalls konnte ich es vor vielen Jahren nicht. DAs ist aber weder Gewaltfreiheit noch sonst was Hochtrabendes. Es ist die Reaktion des Kaninchens vor der Schlange, die manche haben und manche nicht. Pure ANGST.

Allerdings weiß ich auch genauso, daß ich, um verhindern zu können daß einem Kind was Schlimmes passiert, selber Gewalt anwenden könnte.

Manchmal müssen wir gültige zivile oder moralische Regeln übertreten, auch wenn wir die Konsequenzen dafür tragen müssen, wie Du gestern geschrieben hast.
DAs muß dann jeder vor seinem Gewissen verantworten, ein Urteil steht keinem anderen zu.
Damit möchte ich Dir auch sagen, daß ich verstehen kann, wenn jemand sich rächen möchte. Wir können uns bei aller Mühe nie ganz in andere hineinversetzen.
Nur für mich selber geh ich einen anderen Weg.

lg
Barbara


vom 04.03.2005, 08.19
Antwort von Nickname:

Liebe Bärenmami,
ich gebe dir mit fast allem recht, mehr noch, ich wünschte, ich hätte deine ersten drei Sätze selbst geschrieben. Du hast mir wieder einmal bewusst gemacht, wie viel innere Arbeit hinter dem Verzeihen steckt. Auch bei leichten Fällen, wie bei Freunden und Angehörigen aber auch bei schwereren, wie zum Beispiel bei Kindheitstraumata durch Fehler der Eltern.
Jedoch, wenn sich nur solche die mit sich selbst im Reinen sind an Konflikte anderer wagten, wären viele hilfreiche Worte nicht gesprochen worden. Wer kann schon von sich sagen, mit allem versöhnt zu sein? Vielleicht können wir uns so einigen: An Konflikte anderer wagen mit dem Vorsatz Positives zu bestärken und außerdem, es sehr rüchsichtsvoll zu machen. Und am wichtigsten: Immer mit dem Bewusstsein, irren zu können.


3. von CeKaDo

Es bleibt jede Aussage solange Theorie, bis man beide Seiten erlebt hat.

Ich hoffe, es bleibt jedem erspart, Opfer zu sein und dann den triumphierenden Täter erlben zu müssen, weil das Rechtssystem verzeiht, wo es strafen müßte.

Sicher ist Gewalt niemals eine Lösung. doch manchmal ist Gewalt die einzige Chance, Gewalt zu stoppen.

Wenn ich als Opfer einer Vergewaltigung die Wahl zwischen Stillhalten und Töten habe..........

Ich bin für den Frieden und die Gewaltlosigkeit, wie Mahatma Ghandi sie wollte. Doch ich würde mich nicht um des Friedens willen töten lassen, um eine Märtyrer zu werden, den die Jugend nicht mehr kennt. Ghandi fiel der Gewalt zum Opfer, obwohl er die Wahl hatte, sich schützen zu lassen oder an der Gewalt zu sterben.

Und zum Beitrag darüber:

Die Dame hat vergessen, daß man viele Flecke am besten mit der gleichen Substanz wieder entfernen kann. Wenn sie mit Wasser verdünnt ist. ;-)

vom 03.03.2005, 22.32
Antwort von Nickname:

Lieber CeKaDo,
du hast ja recht mit der Aussage, dass Unerlebtes Theorie bleibt. Wenn diese Theorie aber im Ansatzpunkt aus einer mitmenschlichen Einstellung entsteht, ist sie doch trotzdem nicht ganz von der Hand zu weisen? Ich finde, es geht hier um grundsätzliche Dinge, wenn du willst, Ideale. Die werden zwar nicht immer der individuellen Situation gerecht, aber sie sind andererseits doch auch nicht gar nichts. Ideale haben schon viel angerichtet in der Menschheitsgeschichte, sie sind, kommt mir vor, die drititmächtigsten Beweggründe überhaupt. (Neben dem schnöden Mammon und dem Machtbedürfnis.)

Grundsätzlich würde ich auch Gewalt anwenden um zu schützen, ist ja klar. Trotzdem bleibe ich bei meiner Einstellung, dass Gewalt nur Gegengewalt provoziert und daher möglichst zu vermeiden ist. Sieh mal, wie wir uns da annähern :-))


Aber wegen der Bertha von Suttner, also DAS habe ich noch nie gehört, was du da schreibst. Auch wenn du es vermutlich nicht ganz ernst meintest, machtest du dich doch zum Anwalt der Rache. Aber wie ich vermute, weil ich dich schon ein wenig kenne: Meintest du eventuell, man solle ein wenig Verständnis dafür haben?


2. von Viola

Ein sehr komplexes Thema, in das ich mich garnicht hineizudenken wage, oder besser, ich möchte es garnicht. Rache der Opfer....Todesstrafe!!
Ich masse mir nicht an, mich einzufühlen, in die Gefühlswelt der Opfer, es würden nicht mehr als theroretische, philosophische Gedanken sein, die ich von mir gebe. Nichts als Worte, ohne Hintergrund.
Spontane Antwort auf die Frage nach der Todesstrafe: Ich bin dagegen und ich bin froh, weder Richter noch Henker zu sein!
Aber !! Ich bin kein Opfer, oder besser: nicht betroffen.
Alles ändert sich in genau dem Moment, in dem man betroffen ist!! Vielleicht würde ich dann auch töten !! Vielleicht würde ich dann auch verzeihen!!
Ich weiss nicht, ob ich dem Täter Absolution erteilen würde, es wäre blasphemisch, das zu behaupten!

Fakt ist, dass der Täter sich zum Richter UND zum Henker ernennt und IMMER Leid hinterlässt.
Und ich ziehe den Hut vor denen, die Opfer sind und verzeihen können!!

Können sie das wirklich?

vom 03.03.2005, 19.30
Antwort von Nickname:

Liebe Viola,
ja, stimmt schon, aber dann wäre doch jedes Hineindenken nicht nur umsonst sondern auch falsch? Mangelt es nicht vielen gerade daran und genau das macht sie dann fähig, Böses zu tun? Ich wage mich doch lieber an Ideale. Ist es nicht besser, man hat welche ohne gleich zu fürchten, sie könnten Blasphemie sein?

Ich weiß nicht, andererseits klingt alles so richtig was du da schreibst....


1. von Bärenmami

Besser kann man es eigentlich nicht ausdrücken. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wenn jeder sagt: "Aber ICH hab gerade noch eben das Recht auf Rache..danach darf dann Schluß sein" hört es NIE auf.

Das Wichtigste - und Schwerste - im Leben ist vielleicht der Akt des Verzeihens. Er ist unverzichtbar. Verzeihen heißt nicht gutheißen!! Es heißt: "Ich weiß nicht, was den anderen dazu getrieben hat, so zu handeln, wie er es getan hat. Ich kann nicht wissen, was er gefühlt hat." Das ist jetzt nicht bloße Theorie - ganz persönlich habe ich leider Grund diesen Weg jeden Tag neu zu gehen und es ist beileibe nicht einfach. Aber: Man kommt in Einklang mit dem, was man lebt, man lernt, die Dinge anzunehmen. Dadurch wird scheinbar Un-lebbares lebbar.

Ich bin der festen Überzeugung, daß es eine Instanz gibt, die Dinge wie Schuld und Sühne irgendwann irgendwie regelt..aber es ist nicht an uns zu bestimmen wann und wie, zu verurteilen und zu strafen, soweit wir nicht professionell zB als Richter damit beauftragt werden.

Ich persönlich glaube nicht, daß man eine durch einen anderen verursachte Situation bewältigen kann, in dem man seinen Rachegefühlen Genugtuung gibt. Es ist keine wirkliche Bewältigung, es hat nur den Anschein einer Bewältigung. Und erzeugt nur neues Leid. Jeder Mörder hat auch Eltern! Klingt vielleicht abgedroschen, ist aber zu bedenken..

lg Barbara



vom 03.03.2005, 16.16
Antwort von Nickname:

Ich glaube auch an diese Instanz.


Liebe Barbara, du sprichst mir aus der Seele!