Frau Mo sagte gerade, ich hätte wegen des Diebstahls damals (auch hier) neugierig gemacht und dann aber nichts weiter darüber geschrieben. Sie hätte darauf gewartet und sicher einige andere auch. Es ist halt so eine heikle Sache....

Mir war damals aufgefallen, dass eine Person sich anders als sonst verhalten hatte. Ich nenne mal die Person einfach X.

X ist sehr schwierig. Immer schon etwas laut, derb und sehr lästig, mit wenig Empathie. Ein/eine SchnorrerIn wie es im Buche steht. Ich war nie begeistert, wenn X mich irgendwo zufällig sah und gleich über die Straße schrie: "Hey Tirilli, gib mir a Zigarettn." Oder. "borg ma an Hunderter"
X säuft in Gesellschaft sehr viel, wird dann noch lauter und lässt sich vollkommen vom Lebenspartner bedienen. "Hey, kumm amol her, schau, i hob a Loch im Zahn." "Jo glei, später" antwortet X-Lebespartner. "Naa, kumm jetzt" Dann wieder und wieder: "Kumm Alte/Alter, und hol ma an Kuchn!"
Manchmal ist X derart exaltiert, dass man fast annehmen könnte, da sei Kokain oder Ähnliches im Spiel. Ich hatte früher manchmal die Vermutung, im Hintergrund wäre da eine heimliche schwere Depression, die überspielt wird. Im Beruf hat X auch Schwierigkeiten, außerdem Schulden, wie jetzt intern bekannt wurde. Und das, obwohl beide Lebenspartner einen guten Job haben. X ist eine Person, die sich ununterbrochen lautstark in den Vordergrund spielt und nie ernsthaft ist, niemals.

Trotzdem habe ich X nicht im Verdacht gehabt, auch niemand anderer von uns, undenkbar.

Bei dem Fest war mir aufgefallen, dass jemand plötzlich seltsam alleine und still in der Küche beim Kuchenbuffet saß. Ich weiß noch, ich sprach die Person deswegen überrascht an. "Nanu, du hier! Aha, du gustierst wohl, weißt wohl nicht, welchen Kuchen, hm?" Keine Antwort, nur ein stilles winziges Nicken. Ich empfand es als seltsam, dachte aber nicht weiter darüber nach und ging wieder.

Tagelang überlegt ich später, wer das war, ich hatte es vergessen. In einer Nacht nach einer längeren Diskussion über den Fall, fiel es mir wieder ein, X war es. Auf besagter Eckbank lagen zwei der bestohlenen Taschen und man konnte nur ungesehen an sie heran, wenn man sich setzte....

Nun überlegte ich, was tun. Ich dachte, man könne doch den Dieb nicht durch Inaktivität belohnen! (850 Euro fehlen) Eine der Bestohlenen ist außerdem finanziell sehr knapp, also schon ihretwegen sollte man etwas tun.

Drei von uns wissen von meinem Verdacht. Mehr sollen es nicht wissen, ist ja riskant, falls es doch jemand anderer war. Wir drei beschlossen dann, ich dürfe den von mir vorgeschlagenen anonymen Brief mit einer versteckten Drohung an alle Partygäste schicken. Die Drohung, nicht an eine bestimmte Person gerichtet würde in etwa lauten:

Es ist jemandem etwas aufgefallen, etwas ist beobachtet worden wie sich jetzt herausstellt. Neue Aspekte haben sich ergeben, sie wurden aber noch nicht der Polizei mitgeteilt. Wer immer das Geld entwendet hat, bekommt nun die Chance, bis zum (Datum) die Tat wieder gut zu machen, indem er das Geld an die Gastgeber zurück schickt. Nach dieser Frist wird besagte Beobachtung der Polizei mitgeteilt, mit allen Folgen und Konsequenzen die sich daraus ergeben werden. Über diese Beobachtung sind einstweilen nur 3 Personen aus dem Kreis informiert, das könnte auch so bleiben.

Anbei: Erhebungsbogen der Polizei.

Ich denke, sollte dabei nichts herauskommen, so hat X oder jemand anderer trotzdem eine Strafe. X kann niemandem mehr aus dem Kreis unbefangen in die Augen sehen. Weil ihm/ihr eben nicht bekannt ist, wer nun wirklich etwas weiß und was das außerdem sein könnte.
Ich hoffe, ihr versteht, dass dieser Brief anonym sein muss. Ich kann nicht anders, außerdem würde ich mich bedroht fühlen.

Und doch, etwas hält mich bis jetzt davon ab, ihn endlich abzuschicken. Anonym, das ist irgendwie widerwärtig.

*seufz*