Ich hatte bei einem Zimmerer angerufen. Das Dach einer alten Hütte sei zu erneuern und außerdem sei eine Dachstrebe am Wohnhaus angefault und auszuwechseln. Schon zwei Stunden später läutete es und der Chef persönlich stand vor der Tür. Es ist ja auch eine kleine Firma aus dem Dorf, also wer denn sonst. Aber so einen Typ hatte ich nicht erwartet. Ein schöner Mann, gut, das gibt´s ja, zugegeben... ;-) Aber dieser war aus dem Ei gepellt, als käme er zu einem Fernsehinterview. Ups, ich dagegen in Jeans, Haus-T-Shirt und ausgetretenen Schlapfen. Ein wenig verlegen führte ich ihn durch den Garten. Sämtliche 123451346 Unkräuter grinsten schäbig, während ich ablenkend meinte: "Sie werden sich wundern, wie sehr ich das Häuschen habe verfallen lassen, aber da war ein Problem gewesen, Sp.arbuch verloren und diese Amtswege...es dauerte dann ein Jahr und das Jahr vorher suchte ich...." Er sehr zurückhaltend: "Ein Jahr? Ah, so lange, wirklich?" Dann sah er etwas konsterniert das Desaster:
"Ja, wissen Sie, ein Seitenast der hundertjährigen Linde war vor Jahren im Gewittersturm da drauf gefallen..." Ja sind Sie denn nicht versichert gewesen?" Doch, schon! Alles, es ist alles versichert... ähm, bis auf diese Hütte. "Wollen Sie das denn wirklich machen? Da müsste man alles abtragen, brauchen Sie die denn?" Ich erwiderte gedehnt: "Wissen Sie, man sagte mir, abreißen ist noch teurer, was meinen denn Sie?" "Ja, das stimmt, das sicher, aber..." "Was würden denn Sie tun?" Dezentes Schulterzucken. Er war ebenso korrekt wie kühl. Wir pilgerten an 1346153683 lauten Unkräutern vorbei zurück zum Wohnhaus. Ich sagte nichts. Wie und warum hätte ich auch erklären sollen, dass ich wegen einer kaputten Hand die ganze Saison nicht hatte brav garteln können?
Dann versuchte er umständlich, vor einem zerbröselnden Fensterrahmen stehend, die zu erneuernde Strebe oben drüber zu fotografieren. Ich bot ihm an, ihm ein Foto über das Netz zu schicken... nein nein, er würde das natürlich selber können. Er konnte schließlich, hach, gott sei Dank!
Frau Schnuzl saß daneben wie eine Sphinx und machte gelangweilt kleine Augen. Ich staunte, wo sie sich doch sonst bei fast jedem Fremdem schnell trollt. Also hat, oder hatte der wenigstens eine Katze, vermutete ich. Frau Schnuzl weiß ja immer schon im ersten Moment, auch von weitem schon, ob ein Zweibeiner katzentauglich ist, ich weiß auch nicht, warum sie das spürt.
Später dachte ich über das nach, was wiederum ich gespürt hatte. Dieser Mann war einer, der Leute wie mich ablehnt. Schmuck muss man sein, gut angezogen, alle Grashalme müssen in die gleiche Richtung weisen! Ich glaube, der war durch meine Lässigkeit ordentlich verunsichert. Vielleicht, weil er selbst sich Unperfektheit niemals erlauben würde. Dass man anders sein kann und dabei zufrieden, das dürfe doch einfach nicht sein! Und auch noch, dass so eine gebildet wirkt, Verräterin an der ehrenwerten Bürgerlichkeit ist die!
Er dachte wohl, mit dieser Keuschenbesitzerin will ich eigentlich nichts zu tun haben, schlimm, dass man für solche Aufträge annehmen muss!
So etwas hatte ich gespürt... aber vielleicht irre ich mich auch.