Ausgewählter Beitrag

Eine traurige Geschichte

Kurze Ruhezeit, die Gäste schlafen und ich habe Zeit, etwas schnell noch zu erzählen bevor es ganz unaktuell geworden ist.

Die Vorgeschichte:

Jahrelang begleitete ich mit der Laute oder Gitarre 5 - 7 Sänger. Wir waren eine feste Gruppe und brachten Renaissance und zeitgenössische Musik, ein Mix der gut zusammen passt. Erforderte es die Literatur, luden wir Sänger oder Instrumentalisten zusätzlich ein.
So lernte ich oberflächlich Daniel* mit seinem wunderbaren Tenor kennen. Er fühlte sich nicht gut, es ging ihm immer schlechter, aber die Ärzte fanden nichts und behandelten ihn auf gut Glück mit Co.rtison+. Genau das war das falscheste und schon nach kurzem war er schwerkrank und fiel bald für Monate ins Kom.a.
Die Ursache war Lungent.uberkulose die inzwischen auch ins Gehirn gewandert war!
Oft fragte ich eine seiner Bekannten, wie es ihm gehe. Es sei hoffnungslos hörte ich dann immer und wenn er genesen sollte, hätte man vermutlich mit bleibenden Schäden zu rechnen. Dann verlor sich seine Spur für mich.

In diesem Advent:

Ich suchte herum, was ich bei unserem Schüler-Adventkonzert machen könnte und kam auf Bachs "Ich steh an deiner Kripp.en hier". In einer Besetzung für einen Sänger und 3 Gitarren klingt das nämlich nicht schlecht...
Der Gesangslehrer meinte, er hätte da einen neuen Schüler, ich müsse nur das ganze um einiges höher spielen lassen. Gesagt getan.

Zur Probe erschien ein schwer gehbehinderter mir unbekannter Mann, er kämpfte mit Krücken um jeden Schritt. Er gab sich heiter, küsste charmant allen, auch den Schülerinnen, die Hand und meinte so nebenher, wie froh er sei, gehen zu können, er sei nämlich lange Zeit querschn.ittgelähmt gewesen. Wir probten also los und es ging so gut, dass ich vorschlug, doch die dritte Strophe auch zu machen. Darauf war er nicht vorbereitet, aber er stimmte trotzdem sofort zu und versuchte es gleich. Bei diese dritten Strophe verlor er die Melodie aber vollkommen. Ich wunderte mich, es war seltsam, wie er plötzlich einfach nur irgendwelche Töne sang. Er versprach, sich das anzusehen...
Ich schrieb dann seinen Namen auf: Ein gewisser Daniel Soundso.

Ich hatte ihn nicht erkannt....

Aus dem Kom.a erwacht, musste er alles neu erlernen. Sprechen, bewegen, alles. Selbstverständlich war auch seine Gesan.gsausbildung vergessen, ebenso wie die ganze Vergangenheit.
Nach dem Konzert, dass er stehend und musikalisch sehr schön absolvierte, erzählte ich ihm, dass ich ihn vorher gekannt hatte. Er reagierte sehr zurückhaltend, natürlich, wie sollte er einer Fremden gegenüber auch sonst reagieren.

Nun aber der Grund warum ich dies alles erzähle.

Dieser Daniel ist Frühp.ensionist und hat nichts, als seine Liebe zum Gesang.
Was seine Lehrerin im Konservat.orium nicht daran hinderte, ihn schon nach kurzem wegen zu geringen Fortschritts rauszuwerfen. Dazu muss man wissen, dass dort keineswegs nur großartige Schüler unterrichtet werden. Es sind vielmehr oft Leute, die dann halt zwischendurch die Solopartie in einem Chor singen dürfen, aber ansonsten anderen Berufen nachgehen. Daniel aber wurde gefeuert...
Sein jetziger Lehrer in unserer Schule und natürlich auch ich sind darüber empört!

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Ist der Schüler nur für den ehrgeizigen Lehrer da? Für manche Lehrerexemplare anscheinend schon!

* Name geändert
+ Die Punkte sind gesetzt, damit Daniel und andere Beteiligte sich via Google hier nicht wiederfinden können.
 

Nickname 30.12.2007, 02.18

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Kommentare zu diesem Beitrag

6. von Eva

Die Geschichte finde ich nicht sooo traurig .... ich freue mich, dass Daniel wieder singen kann und wahrscheinlich ist er bei Euch besser aufgehoben als im Konser.vatorium. Es hat schon alles seinen Sinn, der sich uns manchmal nicht auf den ersten Blick erschließt und sei es, dass Du ihn wiedererkannt hast.
LG von Eva :)

vom 30.12.2007, 23.45
5. von Veety

Was diesen speziellen Fall angeht, ist es nicht unbedingt ungewöhnlich, dass "dem Schüler gekündigt" wird. Es ist eine Sache, nur halbwegs Begabte zu unterrichten, aber ein völlig anderes Ding ist das Unterrichten eines "Behi.der.ten".

Damit umzugehen ist nicht nur für den Betroffenen schwierig, sondern auch für die Unterrichtenden.
Überhaupt ist es in unserer Gesellschaft schwierig, ein vernünftiges, oder "normales", Verhältnis zu "Behin.dert.en" aufzubauen.

Durch Indoktrinierung diverser Institutionen in Rel.igi.on und Pol.it.ik, sowie das "Angst haben" vor allem Fremden äußert sich erst das wahre Ich der so genannten hoch entwickelten Spezies Mensch.

Ich habe eine Weile mit einem "Rol.lima.nn" Musik gemacht. Als er noch Fußgänger war, gab es keine komischen Blicke und Kommentare, seitdem er ein C5-Fall ist, hat sich das extrem geändert.

Die Menschen sind so. Sehr schade für ein Lebenwesen, das sich für das höchste des Universums hält.

Es spricht für dich und deiner inneren Einstellung, dass es eben nicht nur das Äußere gibt, und dass man sich durchaus über aufgebaute Schranken hinweg setzen kann.

P.S.: Es gibt auch Suchallogarythmen, die sich um Punkte nicht scheren.

LG Veety

vom 30.12.2007, 14.45
4. von Claudia

das ist wirklich heftig!

Doch es bestätigt auch eine Beobachtung, die ich gemacht habe:
Lehrer sind ehrgeizig, denn sie wollen sich mit den Lorbeeren schmücken, wieviele IHRER Schüler den oder jenen Preis gewonnen oder sonstwie herausragend erfolgreich waren.
Damit können sie dann Werbung machen und mehr zahlungskräftige Schüler ködern ...
Doch jemanden, der zwar wenig Talent, aber Spaß an der Freude hat, wird entweder gar nicht genommen, oder bald wieder aussortiert.

Ähnlich geht es auch in den Sportvereinen zu: habe versucht damals meinen zugegebnermaßen nicht gerade sehr sportlichen Sohn im Fußballverein unterzubringen, eben damit er sich mehr bewegt und bissl sportlicher wird.
Keine Chance: der Trainer sagte mir glatt ins Gesicht: mit dem können wir keinen Blumentopf gewinnen. :(

Tja ...
LG
C.

vom 30.12.2007, 12.37
3. von Renate

Eine sehr traurige Geschichte ist das, die wieder mal zeigt, wie leistungsbezogen unsere Gesellschaft denkt.
Ich hab ja am eigenen Leib erfahren, was für einen großer Einschnitt eine schwere Krankheit im Leben bedeutet.
Danke, dass du mir mit dieser Geschichte wieder bewusst werden lässt, wie glücklich ich sein kann, das alles überwunden zu haben!
Einen dicken Knuddler schickt dir
Renate

vom 30.12.2007, 12.19
2. von Eveline

Manche Menschen haben einen schier unermesslichen Lebenswillen - ich bewundere solche Leute sehr, noch einmal von "ganz unten" anzufangen braucht sehr viel Kraft....

Ich würde mal sagen, die Lehrerin hat IHN nicht verdient...

Schön's Dägle dir, viel Spaß mit dem Besuch ;)
Busserls, Eveline

vom 30.12.2007, 11.52
1. von Astrid

:( Ja, ich kenne das! Mein Mann hatte vor 5 Jahren einen schweren Unfall, mit Koma und allem drum u dran. Er ist auch Frührentner und hat so seine Probleme. Er war mal Koch in der Spitzengastronomie, sehr kreativ :) .Seit dem Unfall kann er keinen Strss mehr ab,kann nicht mehr 10 Sachen zu gleich kochen. Und wird immer noch schnell müde bei geistiger Arbeit. Geduld zu haben ist eine Stärke, die nicht jeder besitzt. Bei solchen Ereignissen ist das aber sehr wichtig. Und das haben Ausbilder, Chefs, Lehrer u.a. eher selten in einer an Erfolg und Profit orientierten Gesellschaft.

vom 30.12.2007, 02.41


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